Hattingen. Hattingens Handel floriert, das Handwerk ist Goldwerk. Und die Reformation erreicht die Stadt – doch erst 1582 gibt’s den entscheidenden Schritt.

Der Handel floriert, den Bürgerinnen und Bürgern geht’s gut – das Leben ist ein schönes im 16. Jahrhundert. Wenn es da nicht den Zwist in der Kirche gäbe, den der Reformator Martin Luther auch in Hattingen auslöst. Doch der Reihe nach.

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Textilstadt Hattingen: Dies ist ein mittelalterlicher Wollenweber, ausgestattet mit Schiff, Schere und Messer.        
Textilstadt Hattingen: Dies ist ein mittelalterlicher Wollenweber, ausgestattet mit Schiff, Schere und Messer.         © FFS | WAlter Fischer, Repro

Nachdem sich die Gilden bereits im vorangegangenen Jahrhundert gegründet haben, gewinnen sie nun immer mehr an Bedeutung. Handwerk ist Goldwerk, Hattingen wird zur Textilstadt: Wollenweber arbeiten mit Schiff, Schere und Messer, andere sitzen tage- und nächtelang am Spinnrad, um den Wohlstand in der Stadt zu fördern.

Im Jahr 1532 leben etwa 1000 Menschen hier. Getreide wird gehandelt, Schmiedeeisen – und eben Wolltücher und Laken, die aus spanischer Wolle hergestellt werden. Es wird das Wollenwever Amt gegründet, in dem sich Tuchmacher zusammenschließen, sie werden auf Jahrhunderte Hattingen prägen.

Gemeinschaftliche Maßnahmen gegen England

Die Städte Hamm und Unna erklärten schließlich am 13. Februar 1554 auf dem Hansetag in Wesel, dass die ihnen untergeordnete Stadt Hattingen ihren finanziellen Beitrag leiste und somit auch zur Hanse gehört. Zudem wird Blankenstein in diesem Zuge mitgenannt.

Die Hanse lebt. Und Hattingen ist im Jahr sogleich von gemeinschaft­lichen Maßnahmen gegen England betroffen – im Jahr 1567 werden Ausfuhrzölle erhoben.

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Auch die Zahl der Unterhöfe im Reichshof von Hattingen wird größer. Da gibt es beispielsweise Johan up dem Niien in Bredenscheid, Johan thum Kiistner in Holthausen, Hilbrant ther Varentrappe in Elfringhausen oder Herman up dem Spanenoell in Welper. Und natürlich das Cliff, den Sitz des Schultheißen Cleverhof.

Reformationsbewegung erreicht Hattingen

Schon wenige Jahre nachdem Martin Luther seine 95 Thesen an die Tür der Wittenberger Schlosskirche geschlagen hat (31. Oktober 1517), erreicht die Reformationsbewegung der Kirche auch Hattingen. „Von der Notwendigkeit einer Reform bin ich überzeugt“, schreibt Johann III, Herzog von Kleve, 1525. Was er indes nicht möchte: die sächsische Reformation, also die lutherische Bewegung

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So treffen über Jahre und Jahrzehnte Befürworter und Widersacher aufeinander. Unter Pfarrer Bernhard Folle etwa wird es ruhiger in der Stadt, erst sein Sohn Wilhelm startet eigene Reformversuche und bringt die Bewegung ins Rollen. Der Protestantismus ist in West­falen nun auch nicht mehr aufzuhalten.

Am 12. Februar 1582 bekennen sich Bürgermeister und Rat zur Augsburger Konfession durch den Theologen Melanchthon (1530) – Hattingen ist damit reformiert.

Kinder müssen leider draußen bleiben

Schon ein paar Jahre zuvor haben die Stadtoberen zusammengesessen und der Gegenwart von Kindern im Rathaus den Garaus gemacht. Sie wollen sie bei Hochzeitsfeiern, bei Zusammenkünften und Gesellschaften einfach nicht mehr dabei haben.

Eine Landkarte aus dem Jahr 1511 – gewöhnungsbedürftig ist die Blickrichtung: unten ist Osten, oben Westen.
Eine Landkarte aus dem Jahr 1511 – gewöhnungsbedürftig ist die Blickrichtung: unten ist Osten, oben Westen. © FFS | Walter Fischer, Repro

Und wer dagegen verstößt oder wessen Kinder trotz des Verbots bei Feierlichkeiten angetroffen werden, „der soll der Stadt eine Mark Strafe zahlen“. Ferner wird festgehalten: „Sollten sich aber eins oder meh­rere Kinder unversehens oder gar gegen den Willen des Türhüters eingeschlichen­ haben, so soll der Wächter dieselben auch wieder vor die Tür setzen. Wenn sich in diesem Fall jedoch die Eltern widersetzen oder ungütlich zeigen, so sollen sie gleichfalls eine Mark Strafe zahlen­.“­

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Ein Stück weit mehr Sicherheit in der Stadt bringt der Bau der Stadtmauer (1586 bis 1590), die durch fünf Stadttore unterbrochen wird – Bruchtor, Heggertor, Holschentor, Steinhagentor und Weiltor. Die nun plattgewalzten alten Wälle werden als Gärten an die Bürger vergeben, die die Finanzierung dieser wich­tigen Bauwerke sichern.

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>>> Die erste Pandemie: Pest rafft zwei Pfarrer dahin

Der schwarze Tod trifft die Kirche: Innerhalb von einem Jahr kommen gleich zwei Pfarrer durch die Pest ums Leben – die erste Pandemie in der Stadtgeschichte breitet sich aus.

Die Pest kommt im 16. Jahrhundert nach Hattingen.
Die Pest kommt im 16. Jahrhundert nach Hattingen. © FFS | Walter Fischer, Repro

Im Jahr 1580 stirbt zunächst Erasmus Wißmann an der Pestilentia. Der Deutzer Abt setzt daraufhin Jodocus Hülsbusch als (katholischen) Nachfolger ein. Parallel dazu übernimmt die Stadt die Kaplanstelle und stellt Henricus Krefeldius als (evangelischen) Stadtprediger ein.

Bei der Fronleichnamsprozession am 15. Mai 1581 geht Hülsbusch mit der Monstranz voran. Was keiner weiß: Der Pfarrer hat sich schon zu diesem Zeitpunkt mit der Pest angesteckt – und der schwarze Tod wird ihn dann auch kurze Zeit später dahinraffen. Hülsbusch war nur ein knappes halbes Jahr als Geistlicher in der Stadt.

Entsetzen in der St.-Georgs-Gemeinde. Denn Fronleichnam gilt auch im 16. Jahrhundert bereits als klassisch katholisches Kirchenfest – und viele Gläubige sehen die Erkrankung nun als Mahnung Gottes, dass es eine völlige Besinnung auf die reformierte Kirche geben soll.

„Eilfertigs hinsterben vieler leutte“

„Pest ist eine gifftige bekliebende seuche, welche am hertzen sunderlich zusetzet und viel menschen zugleich in der eyle hinweg nimpt“, schreibt der Gelehrte Johann Gigas. „Gemeine zeichen“, dass die Pest ausgebrochen sei, sieht er durch „das gemeine geschrei“ und „eilfertigs hinsterben vieler leutte“.

Im Jahr 1581 erkranken so viele in Hattingen an der Pest, dass sich die Bevölkerung auf 178 Bürgerinnen und Bürger reduziert.

Historie – Hattingen im Laufe der Jahre, 1500-1599

1518. Herzog Johann ordnet an, dass Ratssitzungen nur noch vormittags abgehalten werden dürfen.

2.10.1522. Herzog Johann bestätigt der Stadt alle Privilegien.

20.1.1529. Es wird gerichtlich festgestellt, dass die Bürger von Blankenstein zu keiner Zeit von der allgemeinen Kornakzise befreit waren­.

25.7.1531. Arnd und Anna to den Eyken verkaufen das Gut Rosendaell an die Stadt.

1532. In den Kirchen des Amtes Blankenstein werden 1500 Kommunikanten gezählt – darunter 575 aus Hattingen.

31.10.1552. Die Markenrechte der Kuhweider Mark stehen in einem „Großen Weistum“.

1558. Blankensteiner Bürger und der Graf von der Mark besitzen das Weiderecht in der Holthauser Mark – von der Elverinckwiese zum Sünsbruch und durch den Kuelenberg wieder zurück.

17.3.1570. Eine Verordnung über das Hüten von Schafen, Rindern und Schweinen in der Hattinger Stadtfeldmark wird erlassen.

14.5.1570. Eine Düngeverordnung wird erlassen.

11.5.1571. Die Gilde der Kaufleute und Hacker gibt sich ein neues Gildestatut – es besteht aus 20 Artikeln.

13.6.1571. Bürgermeister und Stadtrat ordnen an, dass Rinderkadaver vor das Bruchtor oder hinter die Bruchgärten gebracht werden müssen. Zudem darf auf Hochzeiten künftig nur noch eine Mahlzeit „uund nicht mer“ bewirtet werden.

3.2.1574. Auf dem Hattinger Markt werden auch Fische aus der Ruhr verkauft.

5.11.1576. Das neue Rathaus am Untermarkt ist im Rohbau fertiggestellt.

1580. Neue Marktordnung für den Handel mit Korn.

1584. Die alte Lateinschule wird in eine evangelisch-lutherischen Stadtschule umgewandelt.

30.3.1589. Haus Kemnade brennt bis auf die Grundmauern nieder.

9.4.1590. Dir Kornakzise wird auf fünf Heller je Scheffel erhöht – damit die Stadt mit der „continuirungh angefangenen bouwes der stadt muren“ fortfahren kann.

20.8.1594. Herzog Johann Wilhelm verleiht „up underdenich bidden und ansoecken unser underdanen und burger der fryheit Blankenstein“ das Recht, drei Jahrmärkte abzuhalten.

25.9.1597. Vertrag zwischen der Stadt und Bernhard von Heiden in Bruch wegen einer Bohr-, Schleif- und Pulvermühle am Blankensteiner Bach (Ludwigstal).

29.3.1599. Hattingen muss Kriegskontributionen an die spanischen Besatzer zahlen.

(Quelle: „Hattingen Chronik“von Thomas Weiß / Klartext-Verlag)