Hattingen. Die Termin-Nachfrage von Menschen, die aus der Kirchen austreten wollen, hat auch in Hattingen zugenommen. Das könnten die Gründe sein.

Womöglich hat das Vorgehen des Kölner Kardinals Rainer Maria Woelki, der ein Gutachten unter Verschluss hält, das sexuelle Gewalt von Priestern in seinem Bistum hätte aufarbeiten sollen, auch Auswirkungen auf Hattingen. Denn nachdem der Vorgang im Erzbistum Köln eine massive Kirchenaustrittswelle ausgelöst hat, ist die Zahl nach Angaben des Amtsgerichts an der Bahnhofstraße auch hier vor Ort zuletzt merklich angestiegen.

Bereits 74 Kirchenaustritte meldet die Behörde an der Bahnhofstraße in diesem Jahr bis Dienstag (2. März). Weitere 51 Austrittswillige, sagt Jens Krause, der stellvertretende Leiter des Amtsgerichtes Hattingen, hätten noch in diesem Monat einen Termin. Auf 125 Kirchenaustritte kommt allein das Amtsgericht Hattingen damit allein im ersten Quartal 2021. Wie viele weitere Gläubige der Stadt die Austrittsformalitäten bei einem Notar erledigen? Bleibt vorerst offen.

Deutlicher Anstieg an Austritten gegenüber den ersten drei Monaten 2020

Für das Amtsgericht jedenfalls hat Krause einen deutlichen Anstieg an Austritten gegenüber den ersten drei Monaten 2020 festgestellt, damals waren es „nur“ 101. Ob die Austritte indes vor allem mit dem Skandal um Kardinal Woelki zu tun haben, kann Krause nicht feststellen. Viele seien wohl auch coronabedingt; Menschen, die in der Pandemie in eine persönliche Krise geraten seien, wollten die Kirchensteuer sparen.

Auch Andreas Lamm, Pfarrer der katholischen Stadtpfarrei St. Peter und Paul, sagt, eine erhöhte Austrittswelle im Zusammenhang mit dem Woelki-Skandal habe er für seine Pfarrei bislang nicht feststellen können, indirekt nennt er aber die Entscheidungen des Kölner Kardinals schwer nachvollziehbar.

Lamm: Auf das sehen, was man in der Gemeinde vor Ort vorfindet

Er könne alle Menschen aber immer nur „ermutigen, auf das zu sehen, was sie in den Gemeinde bei sich vor Ort vorfinden – und sich gern auch kritisch damit auseinanderzusetzen“. St. Peter und Paul, so Lamm, habe sich dabei „dazu verpflichtet, auf Augenhöhe mit allen Menschen zu kommunizieren, die Kontakt zu uns aufnehmen“. Außerdem gelte für diese Pfarrei in puncto Missbrauch „eine Null-Toleranz-Politik. Das, was wir tun, lässt sich immer auch beobachten“.

Austritt aus der Kirche in NRW

Der Austritt aus der Kirche muss persönlich beim Amtsgericht des Wohnortes oder vor einem Notarerklärt werden. Mitzubringende Unterlagen: Personalausweis (oder Reisepass mit aktueller Meldebestätigung), außerdem sollte man möglichst seinen Taufort angeben können.Die Gebühr für den Kirchenaustritt beträgt 30 Euro. Aus sozialen Gründen kann sie ermäßigt oder erlassen werden.

Ulrich Lota schließlich, der Leiter der Pressestelle des Ruhrbistums, sagt, er glaube schon, „dass viele, die jetzt austreten, ihren Verdruss zum Ausdruck bringen über die Vorkommnisse in Köln“. Einen Trend zu vermehrten Kirchenaustritten im Ruhrbistum gegenüber den Vorjahren habe er bislang aber nicht ausgemacht.

Letzte Jahresstatik des Ruhrbistums stammt von 2019

Die Jahresstatistiken ihrer Pfarreien veröffentlicht das Ruhrbistum dabei traditionell immer erst im Sommer des Folgejahres. Die letzte Veröffentlichung des Ruhrbistums zu Kirchenaustritten in Hattingens katholischer Stadtpfarrei stammt damit von 2019, als in Deutschland die Zahl der Kirchenaustritte mit über einer halben Million einen Höchststand erreichte. In Hattingen kehrten damals 162 Gläubige der katholischen Kirche den Rücken, drei traten in jene, Jahr aber auch ein.

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