Sprockhövel. Wer im Corona-Jahr Firmenjubiläum hat, muss kreativ sein. Doch auch das reicht nicht immer. Zwei Geschichten aus Sprockhövel.

Die Corona-Pandemie verlangt dem stationären Handel viel ab: Hygieneauflagen, Kundenbegrenzungen und dann doch wieder Lockdown. Fällt in diese Zeit auch noch ein Firmenjubiläum, sind Kreativität und Ausdauer gefragt - und selbst das reicht nicht immer. Zwei Geschäfte, zwei Jubiläen, zwei Geschichten aus Sprockhövel.

Gewinnspiel statt Grillparty

„Pauline - Wohnen und Schenken“ gibt es seit 25 Jahren an der Hauptstraße in Niedersprockhövel. Mit der Eröffnung am 3. Februar 1996 geht für Heidi Hagen ein Traum in Erfüllung. Dass das ursprünglich zum Jubiläum geplante Grillfest im Garten hinter dem Laden wohl nicht würde stattfinden können, zeichnete sich bereits im vergangenen Jahr ab.

Trotzdem hat die Unternehmerin sich etwas ausgedacht, um den Anlass für ihre Kunden zu zelebrieren: „Am meisten kann man Kunden erfreuen, wenn man etwas verschenkt“, weiß Heidi Hagen und ruft in ihrem WhatsApp-Newsletter zu einem Gewinnspiel auf. Wer weiß, wann „Pauline“ Eröffnung hatte, kann die Lösung per Postkarte bis Ende Februar ans Geschäft schicken. 30 Preise hat die Ladenbesitzerin ausgelobt, aber sie beruhigt: „Ich habe auch ganz viele Trostpreise, damit jeder ein kleines Trostpflästerchen bekommt.“

20 Prozent im Februar

Auch bei Wolfgang Weiss, Inhaber von „Parfümerie & Photo Weiss“, gibt es im Februar eine Aktion. 20 Prozent können die Kunden bei ihrem Einkauf sparen - mit Karten, die er eigentlich zum Valentinstag hatte verteilen wollen. Weil der aber in den Lockdown fällt, hat der Händler die Aktion nun bis Ende Februar ausgeweitet. Wirklich optimistisch klingt er dabei aber nicht.

Denn ursprünglich hatte er mehrere Aktionen für sein Jubiläumsjahr geplant. „Aber das bringt ja alles nichts“, so Weiss. Der Lockdown hat ihm einen Strich durch die Rechnung gemacht - und das ausgerechnet in dem Jahr, in dem das Geschäft seinen 100. Geburtstag feiert. Die „Sanitätsdrogerie Gustav Weiss“ hatte sein Großvater im Oktober 1921 in Haßlinghausen gegründet. Wolfgang Weiss übernahm sie vor 54 Jahren.

2017 war in der Parfümerie von Wolfgang Weiss in Haßlinghausen die Welt noch in Ordnung. (Archivbild)
2017 war in der Parfümerie von Wolfgang Weiss in Haßlinghausen die Welt noch in Ordnung. (Archivbild) © FUNKE Foto Services | Biene Hagel

„Ich hab’ damals noch Drogist gelernt, das war ein halber Apotheker“, blickt er zurück. Doch im Zuge der aufkommenden Drogerieketten verabschiedete sich Weiss vor rund 40 Jahren von Tee, Gewürzen und Kindernährmitteln und wurde zur Parfümerie. „Dem trauere ich auch nicht nach“, sagt er. „Wobei - wäre ich noch Drogerie, hätte ich jetzt offen bleiben können.“ Den Passbildern, die schon sein Opa im Geschäft machte, blieb er hingegen bis heute treu.

Euro-Einführung und Online-Handeln setzen den Geschäften vor Ort zu

Auch Heidi Hagens Geschäft war in den vergangenen 25 Jahren dem Wandel unterworfen. In den Anfängen von „Pauline“ waren Möbel und Antiquitäten noch wichtige Ware und auch ein Angebot für Kinder entwickelte sich zum Renner, sodass die Ladenbesitzerin nach anderthalb Jahren sogar noch das Ladenlokal nebenan anmietete, um mehr Verkaufsfläche zu haben. Eine Zeit lang führte sie auch Mode - erst nur für Damen und Kinder, dann auch für Herren. „Ich habe mich immer gefragt, was möchte der Kunde. Gerade in der Branche darf man nicht schlafen“, sagt Heidi Hagen.

Doch mit der Einführung des Euro kamen die ersten Umsatzeinbußen, dann konkurrierte plötzlich der Online-Handel mit der Unternehmerin um Einnahmen. 2008 verabschiedete sie sich von den Kinder-Sachen und verkleinerte sich wieder, zuvor benötigtes Personal musste entlassen werden. „Das Leben ist eine Achterbahn“, resümiert Heidi Hagen heute. Den Laden betreibt sie nun allein.

Nach 100 Jahren ist Schluss für Weiss

Auch für Wolfgang Weiss lief das Geschäft nicht immer rosig, das Corona-Jahr bedeutet für ihn das wirtschaftliche Aus. 2021 - so ist schon länger geplant - sollte das letzte für den 71-Jährigen sein. „Da wollte ich noch mal ordentlich etwas für meine Altersvorsorge erwirtschaften“, sagt er. „Mittlerweile muss ich davon leben.“ Besonders bitter: Das tatsächlichen Tag des Geschäftsjubiläums im Oktober wird er nicht mehr feiern können. „Am 30. Juni ist Schluss“, sagt Weiss, der eigentlich bis zum Jahresende hatte durchhalten wollen.

Derweil geht Heidi Hagen in Niedersprockhövel weiter mit Optimismus durch die Krise. Nach Antiquitäten, Möbeln und Mode ist sie nun wieder bei dem angekommen, mit dem „Pauline“ ursprünglich gestartet ist: Geschenkartikel und Dekoration - oder wie die Unternehmerin es nennt: „Alles für den schön gedeckten Tisch.“ Ihr Angebot noch einmal grundsätzlich zu verändern, das kann sie sich nicht vorstellen: „Ich umgebe mich einfach gern mit schönen Sachen.“