Hattingen. In vier Heimen des EN-Kreises ist in der vergangenen Woche kein Impfstoff für die Zweitimpfungen angekommen. In zwei Heimen weniger als geordert.
Dass es Lieferengpässe beim Corona-Impfstoff gibt, ist mittlerweile bekannt. Der Impfstart in den Impfzentren wurde deswegen bereits verschoben und auch Erstimpfungen sind aktuell ausgesetzt. Die zweite Impfdosis, die für den vollumfänglichen Schutz nötig ist, sollte das eigentlich nicht betreffen.
Schließlich – so ist es immer kommuniziert worden – sei stets die entsprechende Menge der ausgelieferten Dosen zurückbehalten worden, um die zweite Impfung sicherzustellen. Verwunderlich ist deshalb, was der Ennepe-Ruhr-Kreis am vergangenen Wochenende meldet:
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Vier Seniorenheime bekommen Impfstoff für die zweite Impfrunde nicht
Demnach hätten vier Seniorenheime in Schwelm, Ennepetal und Gevelsberg vergeblich auf den bestellten Impfstoff für die zweiten Impfungen gewartet und im Emmy-Kruppke-Seniorenzentrum in Hattingen sowie im Matthias-Claudius-Haus in Sprockhövel sei am Freitag zu wenig Impfstoff angekommen – in diesen beiden Fällen hätten rund 20 Prozent der benötigten Menge gefehlt.
Das wiederum irritiert die Leiterin des Emmy-Kruppke-Seniorenzentrums, Ursula Champignon. In ihrer Einrichtung seien mittlerweile alle, die geimpft werden wollten, auch geimpft worden, sagte sie auf Anfrage der WAZ.
Änderung der Dosis pro Ampulle sorgt für unterschiedliche Rechnungen
Eine Rückfrage beim Kreis schafft Klarheit: Demnach sei die Lieferung für die erste Impfung noch auf der Basis von fünf Dosen pro Ampulle berechnet worden. Der deshalb übrige Impfstoff sei anderweitig verteilt worden. „Bei der zweiten Lieferung hat das Land die Ampullenzahl angepasst“, erläutert Kreis-Sprecher Ingo Niemann. Hier sei schon mit sechs Dosen pro Ampulle gerechnet worden.
So hätten zwar alle Bewohner und Mitarbeiter im Emmy-Kruppke-Zentrum die zweite Spritze bekommen, nicht aber diejenigen, die seinerzeit mit dem übrig gebliebenen Impfstoff versorgt worden seien. "Ganz viele Personen haben jetzt keine zweite Impfung bekommen", bestätigt Dr. Lasse Schäfers diesen Sachverhalt. Er ist derjenige, der die Impfungen durchgeführt hat.
21 Menschen haben keine Zweitimpfung bekommen
"Damals hieß es, wir sollten so viele Dosen herausziehen, wie es geht", erläutert er. Das seien in vielen - jedoch nicht in allen - Fällen sechs gewesen. Davon konnten andere Angehörige der priorisierten Gruppen profitieren. Und obwohl alles genau dokumentiert worden sei, fehlten nun Zweitimpfungen für diese Menschen - laut Schäfers sind 21 betroffen.
Zudem drängt die Zeit. Laut Studie liegt der ideale Zeitraum zwischen beiden Impfungen bei 21 Tagen, maximal seien 42 Tage erlaubt, erläutert Hausarztsprecher Dr. Willi Martmöller. Das bedeute zwar nicht, dass die Zweitimpfung danach nicht mehr wirkt, aber eben auch nicht, dass sie wirkt. Hinzu kommt eine versicherungsrechtliche Unsicherheit.
Land weist Vorwürfe zurück: Ausgeliefert, was bestellt wurde
Dieses auf rechnerischen Gründen basierende Problem ändert allerdings nichts daran, dass vier Einrichtungen im Kreisgebiet gar keine Lieferung erhalten haben.
Das Land weist diesen Vorwurf von sich. Es sei ausgeliefert worden, was bestellt wurde, heißt es auf WAZ-Anfrage vom Gesundheitsministerium: „Bei möglichen fehlenden beziehungsweise zu geringen Bestellungen kann das Land die Einrichtungen allerdings nicht mit den erforderlichen Impfstoff-Mengen beliefern.“
Neue Bestellung für Zweitimpfung wird diese Woche erwartet
Die Impfstoff-Bestellung sei aber im System bestätigt worden, heißt es vom Kreis. Am fraglichen Freitag habe Dr. Christian Füllers, Ärztlicher Leiter des Impfzentrums, sogar medizinisches und Pflegepersonal der Heime, die in ihrer Freizeit für den Impftermin an ihren Arbeitsplatz gekommen waren, wieder nach Hause zu schicken müssen. „Das war bitter und ernüchternd für alle Beteiligten", so Füllers.
Der fehlende Impfstoff sei nun erneut bestellt worden, heißt es vom Kreis weiter. Noch in dieser Woche sollen die Zweitimpfungen durchgeführt werden.
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>>> Erst- und Zweitimpfung: So ist der Stand in den Seniorenheimen
Von den 44 Einrichtungen im Ennepe-Ruhr-Kreis warten 25 noch auf die zweite Impfung. In vier Heimen gab es wegen Corona-Ausbrüchen noch keine erste Impfung. An 15 Einrichtungen ist die nötige Impfstoffmenge für beide Impfungen ausgeliefert worden, sie sollten (Stand: 27. Januar) auch bereits verimpft sein.
In Hattingen gibt es sieben Einrichtungen, von denen zwei bislang beide Impfrunden hinter sich haben. Vier Heime warten noch auf ihre Zweit-Impfungen, in einem konnte aufgrund eines Ausbruchs noch gar nicht geimpft werden.
Es ist nicht das erste Mal, dass es zu Kommunikationsproblemen zwischen dem Gesundheitsministerium und den Kreisen kommt. So hatte das Land kurz vor Weihnachten überraschend das Bestell- und Lieferprozedere geändert, was die vom Kreis geleistete Vorarbeit zum großen Teil überflüssig gemacht hatte.