Hattingen. Psychologe Rolf Schmiel aus Hattingen gibt Tipps, wie wir durch die Corona-Krise kommen - schicken Sie sich doch mal selbst eine Sprachnachricht.

In TV- und Radio-Sendungen gibt Rolf Schmiel (47) regelmäßig Tipps, wie sich Probleme und Krisen bewältigen lassen. Im WAZ-Interview nun spricht der in Hattingen geborene und heute in Sprockhövel lebende Psychologe über die emotionale Belastung durch den Corona-Lockdown und verrät, wie wir diese Zeit bestmöglich bewältigen können.

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Herr Schmiel, in den vergangenen Monaten haben wir soziale Kontakte stark reduzieren, zur Eindämmung der Corona-Pandemie immer wieder mit Regel-Verschärfungen leben lernen müssen - vom Teil-Lockdown über den Lockdown bis zur jetzigen Lockdown-Verschärfung. Was macht das mit uns?

Rolf Schmiel: Die emotionale Belastung ist enorm hoch. Die Aggressionsbereitschaft steigt ja selbst bei "Normalos", das verdeutlichten auch die jüngsten Bilder aus dem Sauerland. Mit welcher Aggressivität dort gegen Regeln verstoßen worden ist. Für viele Menschen wirken sich die soziale Isolation und die Unsicherheit, die sie empfinden, massiv negativ auf ihr Seelenleben aus. Und die Politiker verschärfen dies mit ihren Entscheidungen, Corona-Maßnahmen immer nur häppchenweise kund zu tun, noch - jedenfalls aus psychologischer Sicht.

Kann ich selbst etwas tun, um emotional dennoch gut durch diese Krise zu kommen?

Ja, aber dazu müssen Sie an verschiedenen Stellschrauben drehen. Erstens an der inneren Haltung zur Pandemie. Wir müssen lernen, Corona nicht als Strafe zu betrachten, sondern als einen - wenn auch sehr strengen - Lehrer. Und zugleich den Blick dafür weiten, dass sich im Vorjahr auch viele tolle Dinge entwickelt haben. Schulen und Schüler etwa reagieren auf die Digitalisierung mit einer überraschenden Leistungsbereitschaft, viele Menschen haben neue Hobbys für sich entdeckt oder neue berufliche Fähigkeiten erworben.

Sich für seine persönlichen Erfolge in der Krise feiern

Um der eigenen Entwicklung in der Krise nachzuspüren, raten Sie, sich per Wecker zu Momenten des Innehaltens zu animieren.

Genau, ich nenne diese Methode: Achtsamkeitsalarm. Ein akustisches Signal soll helfen, sich einmal kurz Zeit zu nehmen, an das zu denken, was trotz aller Schwierigkeiten gut läuft und sich für seine persönlichen Erfolge in der Krise zu feiern. So etwas gibt eine gute innere Haltung.

Die hilft mir aber doch bestenfalls bedingt, wenn ich beispielsweise gerade zwischen Homeworking und Homeschooling rotiere...

Das stimmt, als Papa eines elfjährigen Sohnes kenne ich auch selbst derartige Belastungen. Gerade in stark herausfordernden Situationen muss daher jeder auch im Blick haben, wie er Stress abbauen kann. Dem einen gelingt das bei einem Spaziergang in der Natur. In der kann man sich übrigens bei Bedarf sogar seinen persönlichen Wutbaum suchen, an dem man einfach mal laut schreit - auch das kann entspannen. Anderen hilft vielleicht ein regelmäßiges Workout in den eigenen vier Wänden oder auch Puzzeln, das derzeit ja einen wahren Boom erlebt.

Gut zu uns selbst sein

Sie empfehlen außerdem, eine Whatsapp-Gruppe mit sich selbst einzurichten. Wieso das?

Wenn Sie sich per Whatsapp eine von Ihnen eingesprochene aufbauende Audio-Nachricht schicken, dann betreiben Sie Selbstfürsorge - und die ist gerade in schwierigen Zeiten enorm wichtig fürs emotionale Wohlbefinden. Doch leider vergessen wir gerade dann, wenn die Rahmenbedingungen schlecht sind, gut zu uns selbst zu sein. Selbstfürsorge kann ich aber auch betreiben, indem ich mir dann und wann eine Kleinigkeit gönne, die mir gut tut. Ein besonderes Stück Torte etwa, ein schönes Buch. Oder einfach etwas Zeit für mich selbst.

Und dieser Dreiklang aus positiven inneren Haltung, Stressabbau und Selbstfürsorge funktioniert, um die Corona-Krise emotional gut durchzustehen - selbst dann noch, wenn ich etwa infolge des Lockdowns Angst um meine Existenz haben muss?

Diese drei Schritte sind jedenfalls Grundvoraussetzung jeder Krisenbewältigung, weil sie emotional stabilisieren. Sicher sollte sich aber jeder in existenzbedrohender Lage eingestehen, wie belastend so etwas ist. Er sollte sich aber gleichzeitig vor Augen führen, dass es am Ende "nur" um Geld geht. Ich weiß dabei, wovon ich spreche. Ich stand vor zehn Jahren selbst einmal vor der Insolvenz. Menschen, denen es wegen Corona finanziell schlecht geht, können sich immerhin sagen, das nicht sie schuld sind an ihrer Situation, sondern dass die Pandemie-Bedingungen zu dieser geführt haben. Gegebenenfalls sollten auch sie sich aber Hilfe von außen holen.​

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