Hattingen. Salamander, Igel, Lerche: Viele heimische Tiere kämpfen ums Überleben. Auch in Hattingen nehmen Bestände ab, das Artensterben schreitet voran.
Der Feuersalamander, der Igel und die Feldlerche sind drei völlig unterschiedliche Tiere und doch haben sie etwas gemeinsam: Sie sind in Hattingen heimisch, doch fällt ihnen das Überleben hier zusehends schwer. Sind Beleg dafür, dass das oft zitierte Artensterben direkt vor der Haustür passiert.
Salamanderpest rafft den Feuersalamander dahin
Die Gründe sind vielschichtig und nicht für jede Art dieselben. Zum Beispiel der Feuersalamander: „Der stirbt wegen der Globalisierung“, erläutert Isolde Füllbeck. Sie ist die zweite Vorsitzende des Nabu im Ennepe-Ruhr-Kreis und Sprecherin der Ortsgruppe Hattingen. Ein auch als „Salamanderfresser“ bekannter Hautpilz setzt den Amphibien zu. Er sei über Terrarien nach Europa gekommen – doch während die exotischen Salamanderarten, die üblicherweise in Terrarien gehalten werden, immun gegen ihn sind, löst er bei den heimischen, schwarz-gelben Feuersalamandern die „Salamanderpest“ aus.
Das Bundesamt für Naturschutz macht das Ruhrgebiet als Pilz-Hotspot aus und erläutert auf seiner Internetseite: „Nach bisherigen Erkenntnissen befällt der Pilz Salamander und Molche. Während beim Feuersalamander die Infektion immer tödlich endet, können Molche erkranken, sterben aber nicht zwangsläufig.“
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Fehlende Lebensräume, wenig Futter und Gefahr durch Verkehr
Allerdings, räumt Füllbeck ein, hätte der Feuersalamander auch ohne diesen Pilz Probleme. „Er braucht naturnahe Wälder und naturnahe Bäche!“ Doch die sind heutzutage Mangelware – auch in Hattingen. Zudem würden die kleinen Amphibien häufig überfahren.
Ein Problem, das auch Igel haben. Und nicht nur die Autos der Zweibeiner bergen Gefahr für die stacheligen Sympathieträger, auch die immer beliebter werdenden Mähroboter fordern viel zu häufig Igel-Leben, weiß Isolde Füllbeck. Hinzu kommt, dass der Igel selbst vom Artensterben bedroht wird: Weniger Insekten bedeuten für ihn weniger Futter. Laut der im Oktober 2020 neu erschienenen „Roten Liste“ haben die Igelbestände zuletzt so deutlich abgenommen, dass er nun auf der Vorwarnliste steht – auf der vorherigen Roten Liste (von 2009) wurde er noch als ungefährdet geführt.
Die „Charaktervögel der Landwirtschaft“, allen voran die Feldlerche, aber auch Kiebitz oder Steinkauz, gibt es in Hattingen selten bis gar nicht mehr, führt Füllbeck aus. Wie dem Igel fehlen den Vögeln Insekten, aber auch Lebensraum. Doch auch die typischen Gartenvögel wie Amseln, Heckenbraunellen oder Zaunkönige werden in Hattingen mittlerweile vermisst. Im Sommer habe ihr Telefon oft geklingelt, erzählt die zweite Nabu-Vorsitzende: „Die Leute rufen an und sagen: ‘Ich hab’ überhaupt keine Vögel mehr’.“
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Klimawandel bringt Tier- und Pflanzenwelt durcheinander
Viele Vogelarten kommen mit den Folgen des Klimawandels nicht gut zurecht, erklärt Füllbeck. Milde Winter bringen ihre Brutzeiten durcheinander: So hätten etwa die Meisen in diesem Jahr schon im Februar gebrütet – viel zu früh. Denn weil Insekten zu dieser Zeit noch keine Nahrung finden, gab es auch für die Meisenjungen wenig Futter.
Eine andere Folge des Klimawandels: Neophyten – also Pflanzen, die aus anderen Regionen stammen – breiten sich aus. Beispiele dafür sind der indische Knöterich, die Herkules-Staude oder das Springkraut, auch als „Ruhr-Orchidee“ bekannt. „Wo das Springkraut steht, wächst nichts mehr drunter“, erklärt Isolde Füllbeck. Beispielsweise am Paasbach sei das der Fall. Heimische Arten wie Sumpfdotterblume oder Mädesüß haben dann das Nachsehen.
Zwar nähmen Bienen und Hummeln auch das Springkraut als Nektarquelle dankbar an, jedoch blüht es von Juni bis Oktober, während die von ihm verdrängte Sumpfdotterblume zwischen März und Juni blühen würde. „Wenn die Frühblüher am Gewässer ausfallen, finden die Insekten kein Futter und die Vögel keine Insekten“, fasst Isolde Füllbeck das sensible System zusammen.
Initiative Artenschutz sammelt Unterschriften
Um gegen das Artensterben zu kämpfen, haben sich jetzt mehrere Naturschutzverbände zusammengetan und die „Volksinitiave Artenvielfalt NRW“ gegründet. Sie fordert von der Landespolitik bessere Rahmenbedingungen für den Artenschutz zu schaffen – beispielsweise den Flächenfraß zu stoppen und Biotopverbünde auszuweiten. Für die Städte wünschen sich die Naturschützer unter anderem ein Verbot von Schottergärten und die Förderung begrünter Dächer und Fassaden.
Derzeit werden Unterschriften gesammelt. Mindestens 66.000 sind landesweit nötig um das Thema in den Landtag zu bringen. Die Unterschriftenbögen können online unter: www.artenvielfalt-nrw.de heruntergeladen werden. „Wir sind an einem Wendepunkt“, betont Isolde Füllbeck. „Wir müssen uns jetzt entscheiden, wie wir weiterleben wollen.“