Hattingen. Chorleiter Gerhard Linnemann prägt über Jahrzehnte den Kinder- und Jugendchor der Stadt Hattingen. „Folklore der Welt“ ist ihm ein Anliegen.

Japan, die Metropole Tokio. Für Gerhard Linnemann ist das Land der aufgehenden Sonne bis zum Herbst 1977 ein unbekanntes Feld, gerade auch musikalisch. Doch der Hattinger, der sich schon immer für die „Folklore der Welt in den Originalsprachen“ interessiert hat, hört drei Wochen lang ganz genau hin – und beschließt einen Austausch seines­ Kinder- und Jugendchores mit neuen Freunden in Nippon: Die musikalische Sonne geht auf.

Geschäftsführer des Ortsvereins des Jugendherbergswerks

Gerhard Linnemann, langjähriger Leiter des Kinderchores der Stadt Hattingen.
Gerhard Linnemann, langjähriger Leiter des Kinderchores der Stadt Hattingen. © Archiv | WAZ

Linnemann ist als Geschäftsführer des Hattinger Ortsvereins des Jugendherbergswerks nach Japan geflogen. Er will Land und Leute kennenlernen, ist wissbegierig, findet die richtigen Ansprechpartner – wie so oft, wenn er auf Reisen ist.

Im Winter 1973 geht es mit einem Singkreis beispielsweise zu einem internationalen Musikfestival nach Belgrad. „Das war ein eher rustikaler Auftritt“, erinnert er sich später. Dennoch wollen die Jungs und Mädchen nicht mehr aufhören -- Linnemann gründet den Kinderchor: Bei der ersten Probe sind 20 Kinder dabei. Schnell werden es 35. Im Programm: deutsche und internationale Volkslieder. Deutsch, Japanisch, Isländisch oder Russisch – alles kein Problem, Gerhard Linnemann hat die passenden Lieder.

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Er ist Lehrer, weiß also, wie man mit Heranwachsenden umgeht. Was nicht bedeutet, dass er immer nur freundlich ist. Nach Konzerten gibt es die interne Manöverkritik: „Da ist dann schon mal ein Tränchen geflossen.“ Wer zu oft bei den Proben fehlt, muss die Chorkleider zurückgeben; und wenn parallel mal ein Reitturnier ansteht – „da muss man sich entscheiden, was man will“, so Linnemann.

Aushängeschild der Stadt Hattingen

Der Kinderchor wird zum musikalischen Aushängeschild der Stadt Hattingen – von Südafrika bis Sydney, Linnemann bringt die immer größer werdende Gruppe in die Welt. „Reisen sind ein wichtiger Bestandteil unserer Arbeit“, erklärt er im Jahr 1999. Höhepunkt ist zweifellos Israel, mit einem Auftritt am Heiligen Abend in Bethlehem.

Gemeinsam mit Hans Göbel gründet er 1979 für die Kleinen und Kleinsten den Vorchor, ab 1986 gibt es dann auch den Jugendchor.

VIideo-Produktion für das Kultusminmisterium

Zwischendurch – wir schreiben das Jahr 1983 – steht das Kultus­ministerium des Landes NRW bei Linnemann auf der Matte. Er soll für die Unterrichtsreihe „Wir tanzen mit euch“ ein Video produzieren. Und davon sollen alle profitieren: ausländische Kinder,, die das überlieferte Volksgut ihrer Heimat lebendig halten; deutsche Kinder, aber auch die Eltern und Lehrer, die die Lebensfreude ihrer Mitbürger durch Tanz und Bewegung kennenlernen.

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Die Koordination der tanzenden Kinder übernimmt Ursula Keuth, Leiterin des Kindergartens an der Schreys Gasse, Gerhard Linnemann sorgt neben der Produktion im Didaktischen Zentrum des Schulzentrums Holthausen, für die textliche Beschreibung. Die Nachfrage in Lehrerseminaren ist anschließend überwältigend.

Die Chöre verändern sich. Der Vorchor bekommt den Namen „AufTakt“, der Kinderchor heißt nun „ConTakt“ und der Jugend- und Erwachsenenchor „Vocal In Takt“. Doch der Zeitgeist ändert sich, Traditionen werden weniger gepflegt. Es fehlt Geld, es fehlt auch ehrenamtliches Engagement.

Rücktritt als Chorleiter im Jahr 2000

Gerhard Linnemann – er unter­richtet erst hauptamtlich an der Heggerfeldschule und später an der Hauptschule in Sprockhövel, Musiklehrer ist er immer nur neben­beruflich – tritt im Jahr 2000 als Leiter­ der Chöre zurück. Er sagt: „Einen Künstler muss man nicht von der Bühne tragen, der muss selber gehen.“

Nach Linnemanns Abschied wird es dann jedes Jahr ein bisschen leiser um die Chöre. Anfang 2013 lädt der letzte zum Abgesang. Finis.

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