Hattingen. Friedhelm Deis war Musiklehrer für Tausende Pennäler in Hattingen. Er hat die Musikschule aufgebaut und geleitet – und er hat komponiert.
Friedhelm Deis hat Hattingen musikalisch geprägt: Tausende Schüler haben ihm am Gymnasium Waldstraße ein Liedchen vorgesungen, damit er hören konnte, ob sie sich für seinen dreistimmigen Chor eignen würden; er hat die Musikschule aufgebaut und sie 31 Jahre lang nebenamtlich geleitet – und er hat der Stadt zum 600-jährigen Geburtstag die Oper „Ex Historie Hatneggensi“ geschenkt.
Nein, mit dem modernen Musikgeschmack seiner Schüler kann der Lehrer Deis sich nur selten anfreunden, ihm liegt mehr das Klassische am Herzen. Damit können allerdings Fünft- und Sechstklässler damals wie heute nur wenig anfangen. Erst viel später erschließt sich vielen seiner ehemaligen Pennäler der pädagogische Wert seiner oftmals langatmigen Vorträge. Was viele nicht wissen, wie er da im Musikraum unterm Dach vor ihnen sitzt, meist an sein Klavier gelehnt: Friedhelm Deis ist viel mehr als ihr Musiklehrer – er ist auch Orgelbauer, Komponist, natürlich Dirigent.
Schon mit zwölf Jahren gelingen Friedhelm Deis erste Kompositionen
Sie merken, sein Leben steckt voller Musik: Friedhelm Deis wird am 1. Juni 1930 in Bochum geboren. Mit zehn Jahren hat er zum ersten Mal Klavierunterricht, mit zwölf gelingen ihm erste Kompositionen. Nach dem Abitur studiert er Schulmusik in Detmold, macht im Jahr 1954 sein Examen fürs Lehramt an Realschulen.
Fünf Jahre später kommt er nach Hattingen. Unterrichtet an der Wolfgang-Borchert-Realschule, lebt in einer Sozialwohnung in Welper. Hier beginnt er mit dem Bau seiner ersten Orgel – auf beengtem Raum. Die Klaviatur ist gebraucht, die Pfeifen sammelt er sich unter anderem aus einer Abbruchorgel der evangelischen Kirche Herbede zusammen. „Ich habe erst mal so drauflos gebastelt“, sagt er später in einem WAZ-Gespräch. Pneumatik, Registerzüge, Windladen – all das wird für ihn in diesen Tagen ganz normal. Sein Umgang mit Hobel und Säge ist ebenso virtuos wie der mit dem Instrument.
Von 300 auf 1250 Musikschüler in nur anderthalb Jahren
Nach der Kommunalen Neuordnung beauftragt der neue Hattinger Stadtrat Friedhelm Deis mit dem Aufbau und der Leitung einer Musikschule. Er entwirft die Musikschulordnung, wählt Lehrkräfte aus und legt fest, welche Angebote gemacht werden – in anderthalb Jahren schnellt die Schülerzahl von 300 auf 1250 in die Höhe. „Sein Einsatz ist vorbildlich“, sagt Landrat Volker Stein, als er ihm das Bundesverdienstkreuz verleiht.
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Deis’ größte Leidenschaft gehört ohne Zweifel dem Komponieren. „Das macht mir fast mehr Spaß als später das Spielen“, sagt er in seinem letzten Interview im Jahr 2007. Rund 300 Stücke hat er geschrieben, kleine wie große. Die Schul-Oper „Der Wettstreit der Instrumente“ (zum 75-Jährigen der Waldstraße 1989), und die Oper „Ex Historie Hatneggensi“, die 1996 im Rahmen der 600-Jahr-Feier der Stadt Hattingen uraufgeführt wird.
20 Register und 1240 Pfeifen sorgen für Hauskonzerte der besonderen Art
Im Hammertal, wo Friedhelm Deis Mitte der 1980er-Jahre gemeinsam mit Frau Hannah heimisch wird, baut er sich eine Orgel ins Wohnzimmer, seine inzwischen dritte Privatorgel – und was für eine: 20 Register und 1240 Pfeifen sorgen für Hauskonzerte der besonderen Art, manch mittlere Gemeinde blickt neidisch auf diesen Bau. „Diese Orgel gibt’s nur einmal!“
Logisch, dass er das Zimmer selbst entworfen hat, wie auch das gesamte Haus. „So habe ich mir den teuren Architekten gespart“, sagt er. Lediglich vier Sessel und ein Tisch stammen nicht aus seiner kleinen Werkstatt. „Der Orgelbau hat mich zwei Jahre Zeit gekostet – andere Leute gehen zum Kegeln...“
Neben den Eigenbauten hat er auch 50 Instrumente im Laufe der Jahre sammelt: Fideln und Flöten, Klarinetten aller Größen, einen Dudelsack und, und, und. Erinnerungen, wie es sie so viele in seinem Leben gibt – und auch an sein Leben. Friedhelm Deis stirbt am 25. August 2008 im Alter von 78 Jahren.
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