Hattingen. Aus einem Gefallen für den Pastor werden 65 Jahre Kirchenmusik: Besonders das Klavier hat es dem Hattinger angetan – „das Instrument der Könige“.
Seinen ersten Gottesdienst hat er am 31. Oktober 1954 musikalisch gestaltet. Es ist ein Gefallen für Pastor Kuhlmann, weil der fürs Reformationsfest einen Organisten sucht, damals, in Holthausen. 65 Jahre sind nun vergangen – und Walter Schulte ist noch immer Kirchenmusiker. Chorleiter. Einer, der begeistert.
Er ist ein fröhlicher Mensch, einer der für Gemeinschaft steht
Er ist ein fröhlicher Mensch, einer der für Gemeinschaft steht, der einfach Freude bereiten will. Er sagt: „Es hat mir immer Spaß gemacht, andere Menschen mit meiner Musik zu erfreuen.” Und ja, das hat er gemacht, wird jetzt der eine oder andere Leser zustimmend nicken.
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Fünf Mark hat er 1954 für die Aushilfe bekommen. Zehn Jahre ist er geblieben. Und einmal hat er die Gemeinde in der Weihnachtszeit genarrt: „Ich habe mit einer Aufnahme der Glockenklänge des Kölner Doms das Holthauser Land beschallt.” Heimlich habe er Lautsprecher aufs Dach montiert und Orgel gespielt. „Alle fragten: Woher kommt das Läuten”, erzählt Walter Schulte in einem WAZ-Gespräch.
Klassische Musik. Das Klavier. Das sei für ihn das Instrument der Könige, der Klang wunderschön. Doch es ist für ihn unerreichbar – zunächst zumindest. Als Kind ist er so erfinderisch, dass er für seine Freunde mal auf einer Steinmauer spielt. Während der Zeit der Bombenangriffe auf Hattingen lernt der siebenjährige Walter fleißig Noten. Dann bekommt er endlich Unterricht. Und seine Mutter überrascht ihn an einem seiner Geburtstage mit einem Klavier – erst viel später erzählt sie ihm, dass sie dafür eine Sitzbadewanne, sechs Lampen, eine Tonne Eierkohlen und 400 Reichsmark gezahlt hat – ein Vermögen! Seine Mutter arbeitet bei der Vergabestelle für Lebensmittelmarken.
In Holthausen wird Schulte zum Kirchenmusiker, später ist er auch in den Gemeinden Winz-Baak und Johannes heimisch. Zum Beruf macht er seine Leidenschaft aber nicht – nein, arbeitet als Schlosser auf der Henrichshütte und später noch bei RWE in der Verwaltung.
Opa kann einfach nicht Nein sagen,meint der Enkel
1958 ruft er den Schwesternchor im Evangelischen Krankenhaus ins Leben, 1968 gründet er den Kirchenchor in Winz-Baak. Und nur mal für den Übergang, für ein Jahr, soll er den Singkreis Holthausen leiten. „Es wurden 20 Jahre daraus, zu Höchstzeiten waren es 54 Frauen.“ Lange ist Schulte Vorsitzender im Initiativausschuss Hattinger Chöre. „Opa, du kannst nie Nein sagen!“ Dieser Satz seines Enkels beschreibt mit am besten das Leben des beliebten Krauskopfes (die Haare wurden erst im Alter langsam weniger...). Selbst im Kulturausschuss mischt er als Sachkundiger Bürger mit.
Zahlen aus seinem Leben
Zu seinem 50-Jährigen als Kirchenmusiker im Jahr 2004 hat Walter Schulte einige Zahlen aus seinem musikalischen Leben zusammengetragen. Er hat bis zu diesem Zeitpunkt rund 5100 Gottesdienste gespielt und etwa 1950 Chorproben abgehalten. Zudem veranstaltete er 48 Konzerte.
Bereits im Jahr 1997 wurde ihm das Bundesverdienstkreuz verliehen.
„Ohne die Unterstützung von meiner Frau hätte das alles gar nicht funktioniert“, weiß er.
Denn Musik und die Familie ist ja noch nicht alles in seinem Leben: Schulte ist Karnevalist, Mitglied in der Bürgergarde Blau-Gold, mietet zur fünften Jahreszeit einen Bus und fährt mit Freunden nach Köln. Er ist Fußballfan und drückt dem VfL Bochum die Daumen.
Ob er auch für den Zweitligisten die Glocken läutet, ist nicht bekannt, sehr wohl dagegen, dass er es für Frau Holle gemacht hat. Denn das Glockenspiel im Krämersdorf wird lange Jahre von seinen Fingerfertigkeiten geleitet. Er spielt in der Adventszeit und zum Altstadtfest. Und wenn Prominente kommen: „Für unseren damaligen Ministerpräsidenten Johannes Rau habe ich gespielt, oder für Bundespräsident Roman Herzog.“
Bleiben seine „Cubaneros“, eine Kapelle mit der Walter Schulte in den 1950er-Jahren Tanzmusik spielt, zum Beispiel beim Cola-Ball der Stadt Hattingen – Feiern ohne Alkohol! „Mit den Beatles und der schrilleren Musik war unsere Zeit vorbei”, erzählt er später. Und es kam für ihn die Kirchenmusik. Die Chormusik. Und so viel Freude.