Hattingen. Karl Thiel will den Arbeitern der Henrichshütte in Hattingen mehr Lebensqualität verschaffen – deshalb entwirft er viel beachtetes Projekt.
Karl Thiel hat Welper geprägt. Er hat eine Baugenossenschaft gegründet, hat den Architekten Georg Metzendorf mit ins Boot geholt, um dem Ort ein unverwechselbares Gesicht zu geben. 400 Häuser hat er auf den „sonnigen Auen von Welper“ bauen lassen, ja, ganz Deutschland hat Anfang des 20. Jahrhunderts auf dieses Projekt geschaut. Es ist die Gartenstadt Hüttenau.
Er will den Arbeitern der Henrichshütte mehr Lebensqualität verschaffen
Nein, anonyme Mietskasernen sind nicht sein Ding. Er will den Arbeitern der Henrichshütte mehr Lebensqualität verschaffen, er kann es nicht ertragen, dass die schönen Seiten nur den Betuchten zur Verfügung stehen. Karl Thiel schreibt: „Die räumliche Abtrennung der Familien von der Scholle, der nur der wohlhabende Mensch unseres Zeitalters noch entgehen kann, läuft der naturhaften Freude geradezu entgegen. Da die kosmischen Gesetze aber für alle Menschen bindend sind, gilt das Prinzip des freien Menschen auch für alle – die Minderbemittelten wie die Begüterten.“
Er gewinnt den Darmstädter Architekturprofessor Georg Metzendorf, der gerade auch die Essener Margarethenhöhe plant, für die Umsetzung seiner Ideen – und so entstehen 400 Häuser mit fließendem Wasser, eigenem Bad, einem Anschluss an die Kanalisation, Heizung, Stromanschluss und einem großen Garten – letzterer ist stets sein Hauptaugenmerk.
Am 1. April 1909 wird er Amtmann und Bürgermeister in Blankenstein
Friedrich Wilhelm Karl Thiel wird am 18. Oktober 1875 in Lüdenscheid geboren. Nach seinem „Einjährigen“ am Gymnasium (heute: Mittlere Reife) wird der Sohn eines Kupferschlägers Beamter – und als solcher führt ihn sein Weg u.a. über Goch, Gelsenkirchen, Baukau und Westerkappeln am 1. April 1909 als Amtmann und Bürgermeister nach Blankenstein.
Noch im selben Jahr – am 31. Oktober 1909 – gründet er die Gartenstadt Hüttenau. Die Gemeinden Blankenstein und Welper schließen sich hierbei zu einer Interessengemeinschaft unter finanzieller Beteiligung der Firma Henschel (Henrichshütte) zusammen. Thiel ist jetzt Amtmann, Bürgermeister und Vorsitzender der Gartenstadt – und als solcher findet er Gefallen an den Ideen der Sozialreformer in Großbritannien.
Bau eines Begegnungsplatzes für die Bewohner
Sein sozialer Weg führt auch zum Bau eines Begegnungsplatzes für die Bewohner des neuen Quartiers – den Bebelplatz. Im Jahr 1928 wird hier der Amtmann-Thiel-Brunnen eingeweiht, er selbst zeigt sich gerührt und bezeichnet das Bauwerk als ein „Sinnbild des Genossenschaftsgeistes“.
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Doch mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten wird das Leben für Karl Thiel unangenehm. Der Freimaurer ist ihnen zu unbequem, schnell versuchen die Nazis, ihn aus seinen Ämtern zu drängen. Gleich 1933 wird ein Disziplinarverfahren gegen ihn wegen „schweren Verstoßes gegen die Beamtenpflichten“ eröffnet. In seiner Dienstwohnung soll er Waschtische auf Amtskosten eingebaut haben – und auch die Plakette mit seinem Bild an der Kemnader Brücke wird als „unzulässiger Personenkult“ kritisiert, lauten die Vorwürfe.
Hitlers Schergen lassen ihn nicht in Ruhe
Das Verfahren wird zwar ein Jahr später eingestellt (vor allem, weil die meisten Vorwürfe verjährt waren), dennoch lassen Hitlers Schergen Thiel nicht in Ruhe. Jetzt gerät der Brunnen auf dem Bebelplatz in den Mittelpunkt ihres Handelns. Sie stören sich daran, dass er nach dem Amtmann benannt wurde – folglich gibt es die Anweisung, dass die Figur, die der Blankensteiner Kunstbildhauer Müller geschaffen hat, komplett abzutragen sei.
Am 1. April 1934 wird Karl Thiel in den Ruhestand versetzt. Doch die Vorwürfe nagen schwer an ihm – bis zu seinem Tod am 1. Oktober 1942 in Dortmund.
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