Hattingen. Mit Weisheit und Witz führte Leo Gottwald sein Unternehmen in Hattingen. Dem einen oder anderen Mitarbeiter steckte er einen Zwanziger extra zu.

Flansche sorgen für sichere Verbindungen, sie dichten ab, schließen Lücken. Und sind jederzeit lösbar. Sie helfen zum Beispiel bei Rohr­leitungen, beim Einbau von Armaturen, heutzutage bei Heizungen. Leo Gottwald war ein Fachmann für diese Flansche – und er versorgte mit seiner Firma die ganze Welt. Sein Herz gehörte aber allein Hattingen, seinen Mitarbeitern und der Familie.

Spende für den Wiederaufbau des Johannisturms im Krämersdorf

Der Wiederaufbau des im Zweiten Weltkrieg zerstörten Johannisturms wurde im Jahr 1957 durch eine Spende von Leo Gottwald möglich.
Der Wiederaufbau des im Zweiten Weltkrieg zerstörten Johannisturms wurde im Jahr 1957 durch eine Spende von Leo Gottwald möglich. © WAZ / ARchiv

„Ich bin ein alter Panhase und hänge an dieser Stadt“, sagt Leo Gottwald im Jahr 1972 zur WAZ. Bewiesen­ hat er dies beispielsweise beim Wiederaufbau des im Krieg zerstörten Johannisturms am Krämersdorf, den er mit einer großzügigen Spende erst möglich gemacht hat. Und auch das Glockenspiel hat er finanziert. Darüber hinaus hat er sich mit dem Bau von Sozialwohnungen für seine Belegschaft hervorgetan. Aus Dankbarkeit verleiht die Stadt dem Industriellen zu seinem 85. Geburtstag den ersten Ehrenring der neuen Stadt Hattingen.

Leo Gottwald wird am 30. Oktober 1886 im Glatzer Bergland in Schlesien geboren. Nach seiner Schulzeit arbeitet er bei einer Bank, ehe er nach dem Ersten Weltkrieg ins Rheinland kommt. Er ist Mitbegründer der Düsseldorfer Privatbank Schliep & Co., die er später auch alleine weiterführt.

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Im März 1938 steigt Gottwald bei den Vereinigten Flanschenwerken in Hattingen ein, die es seit dem Jahr 1900 gibt. Er erwirbt die Aktienmehrheit, die bis dahin in den Händen von Max Stein lag. Stein ist Jude, und als solcher im Dritten Reich nicht gerne gesehen. Wie Gottwald letztlich an die Aktienmehrheit gekommen ist, bleibt offen – es geht selbst aus den im Stadtarchiv noch erhaltenen Unterlagen nicht hervor. Der Hattinger zeigt sich indes sogleich mutig: Er stellt den früheren Stadtdirektor Karl Steierwald ein, nachdem dieser wegen seiner politischen Überzeugung und der damit verbundenen Ablehnung des Nazi-Regimes von der Henrichshütte fristlos entlassen worden war.

Leo Gottwald war ein Unternehmer alter Schule

Gottwalds Firma spielt auf dem Weltmarkt eine bedeutende Rolle. Der Chef geht voran, arbeitet hart; ist Unternehmer der alten Schule. Sein Erfolgsrezept? „Jeden Morgen um fünf aufstehen, eine gute Mittagspause einlegen und bis acht wieder­ am Schreibtisch sitzen!“ Auch mit 85 macht er das noch so.

Leo Gottwald, Unternehmer aus Hattingen (1886-1974).
Leo Gottwald, Unternehmer aus Hattingen (1886-1974). © Archiv | WAZ

Er kümmert sich um seine Mitarbeiter, vereinbart Weisheit und Witz. Er ist großzügig, kein Zweifel. Vor allem den Mitarbeitern, die er auch länger schon persönlich kennt, steckt er schon mal einen Zwanziger extra zu – oder schenkt ihnen einen Kasten Bier. An­schließend setzt sich „Der Alte“, wie er von der Belegschaft ebenso liebe- wie respektvoll genannt wird, in seinen Opel und fährt zum Termin – oft nach Düsseldorf.

Denn am Rhein betriebt er ein zweites Werk, drei weitere in Mitteldeutschland – in Bernburg, Gößnitz sowie Regis/Breitingen – gehen in den Nachkriegswirren verloren.

Firma wurde bis in die 1960er-Jahre kontinuierlich ausgebaut

Bis in die 1960er-Jahre hinein baut er seine Firma kontinuierlich aus. So entsteht etwa die große Halle an der Engelbertstraße, oder auch der Komplex, in dem bis zu ihrer Insolvenz im Jahr 2015 die Firma Albert Greifenberg sitzt. Gottwald blickt in den besten Jahren auf einen Jahresumsatz von mehr als 125 Millionen Mark, bis zu 1200 Beschäftigten arbeiten in Hattingen, etwa 800 sind es in Düsseldorf-Holthausen. Das Unternehmen ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor im rheinisch-westfälischen Industriegebiet.

Betrieb als Mönninghoff

Im Jahr 1980 werden die Gottwald-Werke an die Bochumer Mineralölgesellschaft (Bomin­) verkauft, der es wirtschaftlich nicht gut geht. Der Betrieb läuft unter dem Namen Mönninghoff weiter.

Vier Jahre lang geht alles gut, dann steigt eine Bank aus, drei weitere sehen sich zur Unterstützung nicht mehr im Stande. Die letzte Arbeitsschicht wird am 29. Juni 1984 gefahren.

Leo Gottwald – inzwischen ist er auch Generalkonsul – lässt seinen Erfahrungsschatz aber auch anderen Unternehmen zukommen und sitzt in deren Aufsichtsrat. Auch im eigenen Unternehmen arbeitet er bis ins hohe Alter an seinem Lebenswerk. Die WAZ schreibt zu Gottwalds 85. Geburtstag: „Seine Persönlichkeit ist geprägt von dynamischem Unternehmergeist, klarem Blick für wirtschaftliche und finanzstrukturelle Zusammenhänge und Entwicklungen sowie Verantwortungsgefühl.“

Am 23. April 1974 stirbt der Unternehmer Leo Gottwald im Alter von 87 Jahren.

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