Hattingen. Die Wohnungslosenhilfe Hattingen registriert mehr Menschen, die lange zur Dunkelziffer gehörten. Die Berater befürchten nach Corona mehr Probleme
Die Wohnungslosenhilfe steht in der Corona-Krise vor großen Herausforderungen. Auch für die Zeit nach den starken Einschränkungen durch die Pandemie erwarten die Berater neue Probleme, mit denen die Menschen zu kämpfen haben. Sie sehen in der Situation aber auch eine Chance.
Verdeckte Wohnungslose melden sich
Für die Ärmsten, die Menschen ohne eigene Wohnung, bringt die Corona-Krise ganz neue Herausforderungen mit sich. Die Wohnungslosenhilfe der Caritas merkt das auch an der gestiegenen Nachfrage von Personen, zu denen die Berater bisher keinen Kontakt hatten. Entsprechend begreift Ulf Wegmann, Fachdienstleitung der Wohnungslosenhilfe der Diakonie Mark-Ruhr, die Situation auch als Chance: „Durch die Situation werden mehr Fälle an die Oberfläche gespült, die bisher verdeckt Wohnungslos waren“, erklärt er.
Scham sei ein wichtiges Thema bei Armut. „Es gibt Dunkelziffern, weil Ansprüche nicht genutzt werden. Natürlich haben Menschen den Wunsch nach Unabhängigkeit, aber vieles steht ihnen einfach zu“, betont Wegmann.
Mehr minderjährige Obdachlose
Stark zugenommen habe in den vergangenen 15 Jahren bereits die Zahl der Minderjährigen, die zum Beispiel durch Rauswurf bei den Eltern auf der Straße landeten.
„Jetzt sind Fälle aufgetaucht, die sich oft jahrelang durch Übernachtungen bei der Familie oder Freunden durchschlagen konnten“, weiß Ulf Wegmann. Diese Möglichkeit brach für sie zuletzt vielfach weg. „Da geraten Familien unter Druck, weil sie vom Nachbarn oder Vermieter beäugt werden, wenn jemand anderes dort ein und aus geht.“ Entsprechend hofft Wegmann, dass bei diesen Betroffenen jetzt „etwas in Bewegung kommt“.
Sicherheitsvorkehrungen in Obdachlosenunterkünften
In Hattingen hat die Zahl der Anfragen in den Obdachlosenunterkünften seit Beginn der Corona-Einschränkungen nicht zugenommen. 17 Personen sind in den städtischen Einrichtungen untergebracht – die meisten an der Werksstraße.
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„Eine besondere Form der Unterbringung ist aufgrund der Corona-Pandemie nicht vorgesehen. Alle Bewohnerinnen und Bewohner wurden über entsprechende Schutzmaßnahmen informiert und gebeten, die Sozialkontakte weitestgehend einzuschränken“, erklärt Stadtsprecherin Jana Golus. Zudem wurden Hygienepläne ausgehängt, Desinfektionsmittelspender installiert und Mundschutzmasken verteilt. Für die Gemeinschaftsunterkünfte gilt zum Schutz der Bewohner ein Besuchsstopp.
Wohnungslosenhilfe arbeitet weiter
Die Wohnungslosenhilfe arbeitet unterdessen weiter, jedoch mussten Treffs geschlossen werden. Damit fällt ein niedrigschwelliger Zugang zu den Hilfsangeboten weg, bedauert Wegmann. Die Beratungen und die Postausgabe finden nun durch das Fenster statt.
Kontakt zur Wohnungslosenhilfe
Die Wohnungslosenhilfe an der Augustastraße 7 führt weiter Beratungen durch. Gebeten wird um eine telefonische Kontaktaufnahme oder per E-Mail. Beratungsanfragen sind möglich unter 0171/ 2229926 oder 0170/ 8551854 oder per Mail an ulf.wegmann@diakonie-mark-ruhr.de. Die Postausgabe findet dienstags und donnerstags 9 bis 10 Uhr statt. Kontakt: 02324/ 99499 61.
Zudem plant die Wohnungslosenhilfe eine unbürokratische Hilfe durch die Ausgabe von Lunchpaketen vor Ort. Dafür bekommt die Diakonie finanzielle Unterstützung des Landes.
„Wir mussten zuletzt mehr Unterlagen ausfüllen und ans Amt weiterleiten“, berichtet Wegmann von Veränderungen in der Arbeit. Seine Befürchtung: Die Zahl derer, die in Schwierigkeiten geraten, wird nach der Corona-Krise noch steigen. „Im Moment darf der Vermieter mich nicht rauswerfen, wenn ich die Miete nicht zahlen kann. Aber Vorsicht: Schnell können sich Probleme aufbauen, die später nicht mehr handhabbar sind.“
Deshalb lautet Wegmanns Appell an die Betroffenen, sich frühzeitig Hilfe zu holen. „Haben Sie den Mut, Kontakt aufzunehmen, auch wenn es aktuell etwas beschwerlicher ist“, betont er und ergänzt: „Wir halten so viel Kontakt wir möglich bei so viel Sicherheit wie nötig.“