Hattingen. Vor 75 Jahren wurden 1200 Sprengbomben über Hattingen abgeworfen. zeitgleich kommt Hans-Dieter Pöppe am 15. März 1945 im Hochbunker auf die Welt.

Hattingen am Tag und in der Nacht vom 14. auf den 15. März 1945: Etwa­ 1200 Sprengbomben werden über der Stadt abgeworfen, 144 Menschen kommen ums Leben – es ist der schwerste Bombenangriff des Zweiten Weltkrieges. Hattingen­, die ersten Stunden nach Mitternacht am 15. März 1945: Im Bunker am Reschop kommt Hans-Dieter Pöppe auf die Welt.

„Es muss irgendwann zwischen halb eins und drei gewesen sein – so genau kann ich mich nicht mehr erinnern“, sagt er und schmunzelt.

Im Hochbunker am Reschop gibt es eine provisorische Wöchnerinnenstation

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Kriegsende Hattingen Rosenberg Repro wafi-bild 8.5.2005 Walter Fischer Tel. 0170/ 3103431 © Walter Fischer | Wafi-Bild

Die Flieger kommen bereits am Nachmittag. Das Haus der Familie an der Welperstraße – direkt neben Lebensmittel Leweringhaus – wird von einer Bombe getroffen und dadurch leicht beschädigt. Zu viel Aufregung für die hochschwangere Ruth Pöppe, die Wehen setzen ein. Mit einem Taxi fährt sie die Krankenhäuser ab – doch die sind alle überfüllt, denn neben der schrecklich hohen Zahl der Toten gibt es auch noch viel mehr Verletzte.

Dann kommt ein Polizist zum Auto und sagt ihr, dass es im Hochbunker am Reschop eine provisorische Wöchnerinnenstation gibt – hier wird Hans-Dieter Pöppe ebenso wie zwei andere Kinder geboren. Sie werden in Einkaufstaschen gelegt und in Decken eingewickelt. Eines der beiden Kinder ist Ingrid Kaiser, sie ist später Hans-Dieter Pöppes Schulfreundin.

„Leider lebt sie nicht mehr“, erzählt er. „Auch das andere Kind, ein Junge, soll nicht mehr leben. Schade, es wäre schön gewesen, wenn ich auch ihn kennen gelernt hätte.“

Besuch vom kommissarischen Bürgermeister Wittenius an der Welperstraße

Eine paar Tage später, Hattingen hat einen zweiten Angriff der Alliierten am 18. März 1945 mit dem Abwurf von 800 Sprengbomben über sich ergehen lassen müssen. Die junge Mutter und ihr Kind sind zurück an der Welperstraße, als der kommissarische Bürgermeister Wittenius zu einem Besuch kommt. Ruth Pöppe bricht dabei in Tränen aus – denn sie hat keine Kleidung für ihren Säugling, alles ist im Bombenhagel verbrannt.

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Wittenius dreht sich wortlos um und geht wieder weg.

Stunden später kehrt er zurück. beladen mit drei Kartons voller Kinderkleidung, die er nun an die drei Familien verteilt, die eine Geburt im Bunker erlebten.

Verbände von viermotorigen Lancaster-Bombern kommen von Süden

Es ist Mittwochnachmittag, als massive Verbände von viermotorigen Lancaster-Bombern von Süden aus auf die Stadt Hattingen zufliegen. Im Wehrmachtbericht steht für diesen 14. März nur lapidar „Es entstanden Schäden an Wohnhäusern, Krankenhäusern“ – der zweite schwere Angriffe wird erst gar nicht erwähnt. Doch mehr als die Hälfte der 8,26 Quadratkilometer großen Stadt liegen in Schutt und Asche. Hattingen verliert viele unbescholtene, unschuldige Mitbürger – im Jahr 1939 gibt es 18.063 Einwohner, 1946 sind es nur noch 16.620.

Ein treuer Geselle

Hans-Dieter Pöppe besucht nach dem Krieg die Heggerfeldschule. Mit 14 beginnt er seine Lehre bei Elektro Schöneborn, er bleibt dem Betrieb bis zur Rente treu – 51 Jahre lang.

Bis zu seinem 21. Lebensjahr lebt Hans-Dieter Pöppe an der Welperstraße – dann zieht es ihn nach Sprockhövel, „der Liebe wegen“, wie er es sagt. Er lernt seine Zukünftige auf der Arbeit kennen – „und es war sofort um mich geschehen“.

Die Versorgung mit Wasser und Strom bricht zusammen, Patienten des Krankenhauses werden in den Stollen unter dem Wasserturmberg gebracht. Das Gemeinschaftswerk muss etliche Einschläge hinnehmen, Kokerei und Kraftzentrale der Hütte werden völlig zerstört.

Die zerstörte Johanniskirche am Krämersdorf.
Die zerstörte Johanniskirche am Krämersdorf. © Stadtarchiv

Binnen weniger Minuten gibt es in der Hattinger Bombennacht schwerste Schäden in der Stadt. Denn ein Großteil der Bomben, die die Henrichshütte treffen sollen, landen in der Innenstadt. Das Krämersdorf etwa wird völlig zerstört – es ist auch das Ende für die „Kleine Kirche“, wie die Johanniskirche liebevoll genannt wird. Nur der Kirchturm mit seiner stark beschädigten barocken Birnhaube bleibt stehen, das Kirchenschiff ist nicht zu retten. Der große Trümmerhaufen wird nach dem Kriegsende abgeräumt, der Industrielle Leo Gottwald finanziert 1957 die Wiederherstellung des Turmes und stiftet dazu ein Glockenspiel mit Spieltisch.

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