Hattingen. . Heimatfreund Gerhard Wojahn erinnert heute an die Johanniskirche, das Stadtweinhaus an gleicher Stelle, die Zerstörung der Kirche und das, was heute von ihr übrig ist
In den Jahren 1935 bis 37 hatte ich auf dem Heimweg von der Holschentorschule nach Klein Langenberg das Bild vor Augen, das die Postkarte aus dem Jahr 1930 (unten links) vom Unter- und Obermarkt sowie von der Johanniskirche wiedergibt. Links von der Kirche das Haus Obermarkt Nr. 1 mit dem Restaurant Märker, später Lethaus. Das Gebäude rechts des Turmes, in dem Fritz Vestert seinen Obst- und Gemüsehandel betrieb, ist Mitte der 1930er Jahre abgerissen worden. Zwischen der Gaststätte und der Kirche führte früher eine schmale Gasse durch das Krämersdorf zur Kleinen Weilstraße. Gleich hinter dem Kirchenschiff bestand ein Verbindungsweg zur Großen Weilstraße, der immer noch existiert.
Wie es in diesem Stadtviertel vor 250 Jahre aussah, kann man auf der am Glockenturm der Johanniskirche angebrachten Tafel „Hattingen historisch“ nachlesen. Bis 1688 stand an dieser Stelle das Hattinger Stadtweinhaus mit seinem Saal. Das Privileg des Weinzapfens wurde der Stadt schon 1406 verliehen, als in Hattingen innerhalb der Stadtmauern Wein angebaut wurde. Das Stadtweinhaus war keine Kneipe im üblichen Sinne, sondern eine Stätte des Rechts. Kaufverträge, Rentenkäufe und „Behandigungen“ wurden erst rechtskräftig, wenn der Akt mit einem Viertel Wein besiegelt wurde. Daher stammt auch der heute noch bekannte Spruch „Darauf müssen wir einen trinken“.
1688 mietete die kleine „Reformierte Gemeinde zu Hattneggen und im Amte Blankenstein“ den Saal des Stadtweinhauses zu gottesdienstlichen Zwecken. Als die Gemeinde das Gebäude erbte, ließ sie es abreißen und durch einen Steinbau mit Kirchturm ersetzen – die 1737 fertiggestellte Johanniskirche. Die Fläche um die Kirche wurde nach und nach mit kleinen Fachwerkhäusern bebaut; Handwerker und Händler nutzten sie. Diesen Teil der Stadt nannte man seither „Krämersdorf“.
Bei einem Luftangriff in den Nachmittagsstunden des 14. März 1945 warfen alliierte Bomber etwa 1200 Sprengbomben auf Hattingen ab. Sie richteten auf der Henrichshütte und in der Stadt schwere Schäden an.
Bei dem zweiten Angriff am 18. März 1945, der von schnellen zweimotorigen Kampfbombern geflogen wurde, trafen 800 Sprengbomben unseren Ort. Das Kirchenschiff und die umliegenden Häuser des Krämersdorfs wurden völlig zerstört. 144 Menschen ließen bei den Angriffen ihr Leben. Eine 1965 angebrachte Gedenktafel erinnert an die beim Luftangriff umgekommenen Hattinger Bürger.
Das war auch das Ende der „Kleinen Kirche“, wie die Hattinger Bürger das Gotteshaus liebevoll nannten. Nur der Kirchturm mit seiner stark beschädigten barocken Birnhaube blieb stehen. Der große Trümmerhaufen wurde nach Kriegsende abgeräumt. Leider war das Kirchenschiff nicht zu retten, es lohnte sich aber, den Turm zu restaurieren. Der Generalkonsul Leo Gottwald finanzierte 1957 die Wiederherstellung des Turmes und stiftete dazu ein Glockenspiel mit Spieltisch. Der Turm heute wird heute Glockenturm genannt. Danke, Herr Gottwald!