Hattingen. Wahlerfolg in Europa, Abkehr von der Ratsfraktion, Rettung von Lebensmitteln – für Martin Wagner („Die Partei“ Hattingen) war 2019 aufregend.

Den November 2018 zählt Martin Wagner schon zum Jahr 2019 hinzu: Da wurde sein zweiter Sohn geboren. „Ich habe vor Glück geweint. Es war das emotionalste Ereignis und hat mein Leben in 2019 bestimmt“, erzählt der 40-jährige Familienvater. Dazu gehört auch, „dass man irgendwann vor der Riesenverantwortung erschrickt. Denn Kinder haben es nicht leicht in diesen Zeiten“.

Dass immer junge Menschen um ihn herum sind, genießt der Gesamtschullehrer. Und will lange selbst jung bleiben. Auch deswegen hat er sich jetzt eine Playstation 4 gekauft.

Der Erfolg bei den Europawahlen hat „Die Partei“ ein wenig ernster werden lassen

Politisch kommt seine Partei gerade aus den Kinderschuhen heraus. Der Erfolg bei den Europawahlen habe die Partei „Die Partei“ ein wenig ernster werden lassen. 2,42 Prozent der Wähler haben in Hattingen für die Satire-Partei gestimmt (den Begriff „Spaß-Partei“ hört Wagner nicht so gerne).

Putzaktion im Park Diepenbeck: Martin Wagner (links) und Mitstreiter der Partei „Die Partei“ beim Umweltschutz.
Putzaktion im Park Diepenbeck: Martin Wagner (links) und Mitstreiter der Partei „Die Partei“ beim Umweltschutz. © Die Partei | Die Partei

Hält der Lauf an, winkt bei der Kommunalwahl im September ein Ratsmandat. „Das ist auch unser erklärtes Ziel“, gibt Wagner die Richtung vor. Verantwortlich für den Erfolg auf Bundesebene sei natürlich Parteichef Martin Sonneborn.

Putzeinsatz im Park Diepenbeck

Der Satiriker, Journalist und Politiker habe die „Partei für Arbeit, Rechtsstaat, Tierschutz, Elitenförderung und basisdemokratische Initiative“ in die Öffentlichkeit geführt und als Europaabgeordneter auf sich aufmerksam gemacht.

„Davon haben wir in Hattingen profitiert – das aber auch genutzt“, beschreibt Wagner die politische Lage. Vor drei Jahren hatte „Die Partei“ in Hattingen noch sechs Mitglieder, jetzt sind es 30. Zehn davon seien aktiv.

Ganz vorne dabei: Martin Wagner – gerne auf Facebook. „Da ist Präsenz am leichtesten zu erreichen“, weiß der Parteichef. Lenkt den Blick aber auch auf „handfeste Aktionen“ wie einen Putzeinsatz im Park Diepenbeck, ein kostenloses Kuchenbuffet oder das Bestreben, die Stadt Hattingen als Unterstützerin der Seenotrettung zu etablieren.

Grund für die Abkehr war die Haushaltsrede von Gunnar Hartmann

Apropos handfest: Streit gab es auch. Nach der Ratssitzung Anfang Dezember trat Martin Wagner aus der Ratsfraktion der Linken-Piraten aus. Drei Jahre hat er dort parlamentarisch mitgearbeitet. Grund für die Abkehr war die Haushaltsrede von Fraktionschef Gunnar Hartmann. Darin hatte der sich gegen die Impfpflicht ausgesprochen.

Als Vater und Lehrer hat Martin Wagner das als Affront empfunden. „Dass der Fraktionsvorsitzende Menschen, die ihre Kinder impfen lassen, den gesunden Menschenverstand abspricht und sich in seiner Rede auf die Mündigkeit der Eltern und Unversehrtheit der Kinder beruft, finde ich persönlich erschreckend“, begründet Wagner den Bruch mit der Fraktion.

Einmal die Woche holt er Lebensmittel bei einem Hattinger Betrieb ab

Ungebrochen ist dagegen der Einsatz des 40-Jährigen für das Projekt „Foodsharing“. Die 2012 entstandene Initiative gegen Lebensmittelverschwendung rettet überproduzierte Lebensmittel vor der Tonne und verteilt sie an Bedürftige. Motor der Bewegung in Hattingen ist seit einem Jahr Martin Wagner.

Einmal die Woche holt er Lebensmittel bei einem Hattinger Betrieb ab und verteilt sie auf einem Parkplatz an jeden, der zugreifen möchte. „Ich bin da ganz zufällig hineingeraten und musste zunächst einen Test und Probeabholungen absolvieren, ehe der Verein mich akzeptiert hat“, erzählt der Lebensmittel-Retter.

„Foodsaver“ sehen sich nach einem Raum und Kühlschränken um

Inzwischen gebe es in Hattingen sechs „Foodsaver“, bundesweit sollen es rund 40.000 sein. „Wir wollen unsere Arbeit jetzt ausbauen“, kündigt Wagner an. „Wenn wir einen Raum bekommen und über Kühlschränke verfügen, können wir auch mehr Betriebe mit ins Boot holen.“

Dass sich der handfeste Einsatz lohnt, davon ist der Chef der Scherz-Partei „Die Partei“ fest überzeugt. „Wir retten Lebensmittel und regen überdies zum Umdenken an. Beides ist enorm wichtig.“