Hattingen. Organisatoren ziehen ein positives Fazit über die zweite Auflage der Aktions- und Gedenkwoche „Hattingen hat Haltung“. Was nun für 2020 ansteht.
Ein positives Fazit ziehen die Organisatoren zum Abschluss der zweiten Aktions- und Gedenkwoche „Hattingen hat Haltung“. Heimatvereinsvorsitzender Lars Friedrich glaubt indes, eine solche Gedenkwoche werde „dauerhaft nur Bestand haben, wenn wir bei aller Erinnerungskultur auch die Zukunft mitdenken. Und es uns gelingt, noch mehr junge Leute mit einzubinden“.
Über Grundwerte unseres Staates wie Frieden, Freiheit, Toleranz, Demokratie neu nachzudenken: Hierzu hatten Bürger während der Gedenkwoche bei verschiedensten Veranstaltungen wieder Gelegenheit. Darunter auch bei der erstmals angebotenen Stadtführung zu Kriegsgräberstätten, Kriegerdenkmälern, Ehren- und Mahnmalen.
Teilnehmer an der Stadtführung zu Mahnmalen sind begeistert und berührt
Zusammen mit Stadtarchivar Thomas Weiß sowie Leon Reinecke konnte Lars Friedrich zu dieser insgesamt rund 40 Teilnehmer begrüßen – „darunter eine Handvoll jüngerer“. Die Mitgehenden seien von dem Gehörten dabei durchweg „begeistert und berührt“ gewesen, so Friedrich. So erinnerten er, Weiß und Reinecke unter anderem an das Schicksal des ersten NS-Opfers in Hattingen: den im Juli 1932 von SA-Mitgliedern erschossenen KPD-Anhänger Hubert Lubberich, der heute ein Ehrengrab auf dem Kommunalfriedhof an der Waldstraße hat. Und an die 2002 abgebauten, 2016 wieder aufgebauten Gräber für Zwangsarbeiter ebenda.
Zufrieden mit dem Verlauf „ihres“ Attitude-Festivals für Vielfalt und Toleranz sowie dem Feedback der Besucher war auch die Jugend der evangelischen Johannes-Gemeinde um Jugendreferent Maik Voswinkel. „Leider war die Veranstaltung mit knapp 250 Personen nicht so gut besucht. Die Statements der Akteure allerdings waren bemerkenswert.“
Tänzerin zieht mitten im Auftritt ihre Perücke ab
So habe eine Tänzerin der Hip-Hop-Dance-Crew Panta Rhei mitten im Auftritt ihre Perücke abgezogen. Dass sie seit ihrem fünften Lebensjahr kreisrundem Haarfall habe und eine Glatze da die beste Lösung sei, habe sie dem teils erstarrten Publikum später erklärt – und gesagt, dass sie sich nicht nur wünsche, toleriert, sondern in ihrer Besonderheit akzeptiert zu werden, so Voßwinkel.
Auch ergreifend: als Youtuber Maximnoise gestanden habe, als Kind ein Außenseiter gewesen zu sein. „Freiheit und Vielfalt sind hohe Güter“, so Voßwinkel, dies sei vielen durch solche persönlichen Bekenntnisse klar geworden. „Und das werden viele vom Attitude-Festival auch mitnehmen.“ Und dadurch, so Voßwinkel, über ihre eigenen Haltungen zu Vielfalt und Toleranz neu nachdenken.
Steinhauer: Gedenkwoche ist wichtig
Gerade in den Diskursen bei den verschiedensten „Hattingen hat Haltung“-Angeboten sieht Bodo Steinhauer den hohen Wert der Gedenkwoche. „Dass es eine solche gibt, finde ich wichtig. Gerade in einer Zeit, in der von Befriedung nichts zu spüren ist.“ Sei es in der Klima-, der Flüchtlings- oder der Friedenspolitik. Hier müsse man alsbald zu Lösungen kommen, mahnt er. „Wir haben nicht mehr viel Zeit.“
Beim Interreligiösen Friedensgebet in den Räumlichkeiten seiner Gemeinde rief er den Anwesenden von sechs Religionen mehrere nachdenkenswerte Fakten ins Gedächtnis: So seien in 2019 bereits 499 Menschen auf der Flucht im Mittelmeer ertrunken, in Ostafrika 2,5 Millionen Menschen von Hochwasser betroffen. Und zum Thema Friedenspolitik sagte Steinhauer, Deutschland habe in den ersten zehn Monaten dieses Jahres rekordmäßige 7,4 Milliarden Euro an Rüstungsexporten genehmigt. „Wir brauchen eine neue Ethik für unsere Erde. Und einen neuen Gottesbezug.“
Darüber nachzudenken, auch dazu könne „Hattingen hat Haltung“ anstoßen.
Für 2020 will Organisationsteam auf alle Schülervertretungen der weiterführenden Hattinger Schulen zugehen
Olaf Jacksteit, Cheforganisator des sich über neun Tage erstreckenden Programms, sieht das ähnlich. Und will fürs Nachdenken, auch wenn „die meisten Veranstaltungen sehr gut besucht waren, die Resonanz der Teilnehmenden anerkennend“ ausfiel, insbesondere noch mehr jüngere Hattinger gewinnen. Für die Gedenkwoche 2020 wolle man, so Jacksteit, daher schon bald auf die Schülervertretungen alle weiterführenden Hattinger Schulen zugehen – um diese frühzeitig am Gesamtprogramm zu beteiligen.
>>> BIBLIOTHEK DER GERETTETEN ERINNERUNGEN
Die Ausstellung „Bibliothek der geretteten Erinnerungen“ gibt anhand von persönlichen Interviews und Fotomaterial Einblicke in jüdisches Leben weltweit, Schüler der Erinnerungs-AG der Realschule Grünstraße hatten sie zusammen mit ihrer Lehrerin Judith Nockemann nach Hattingen geholt und im Rahmenprogramm der Gedenkwoche in den Räumlichkeiten der evangelischen Johannesgemeinde gezeigt.
Wer den Weg dorthin nicht gefunden hat,k kann die sehenswerte Schau nun noch bis Ende November besuchen – und zwar im Rathaus, Rathausplatz 1. Öffnungszeiten: Mo-Do, 8.30-15.30 Uhr; Fr, 8.30-12 Uhr.