Hattingen. . „Boom!“ heißt eine neue Ausstellung im Industriemuseum Henrichshütte. Sehenswerte Exponate veranschaulichen die Hüttengeschichte, auch emotional.

Vier rotfarbene Stoffbahnen werden ab diesem Freitag unter der Foyerdecke des Industriemuseums Henrichshütte gespannt sein, die Besucher empfangen zur neuen Sonderausstellung „Boom! Die Hütte zwischen Abbruch und Aufbruch“, die sich auf Spurensuche begibt nach Umbrüchen in deren wechselvoller Geschichte. Wie jenen im Jahre 1987, als die Stilllegung der Hütte begann.

Vom Produktions- zum Kulturstandort

Damals, kurz vor dem endgültigen Ausblasen des Hochofens 3 am 18. Dezember, legte der Hattinger Künstler Egon Stratmann eben jene jetzt im Museumsfoyer zu sehenden Stoffbahnen in der Gießhalle von Hochofen 3 aus, auf dass das Schmelzgut seine Spuren in Form von Brandmalen auf den Tüchern hinterließ.

Den Übergang von der Hütte als Produktions- zum Kulturstandort markierten die Stoffbahnen damit, sagt Museumsleiter Robert Laube. Womit sie trefflich passen in diese von Kuratorin Delia Pätzold (30) mit viel Liebe zum Detail gestaltete „Boom!“-Ausstellung, die vom Einbruch der Industrie in das Idyll der Ruhrlandschaft ebenso erzählt wie über Zäsuren durch neue Technologien, Besitzer, Produkte. Die vor allem aber auch in den Blick rücken möchte, so Pätzold, „dass jedes Ende stets auch die Chance eines Neuanfangs bietet“. Und Robert Laube fügt hinzu: „Wandel ist Arbeit. Aber kein Schicksal.“

Protesttexte vom Hüttenkampf und Stroh-Bauhelme sind zu sehen

Für die „Boom!“-Schau im Keller der Gebläsehalle haben er und Pätzold dabei zahlreiche sehenswerte Exponate zusammengetragen: Fotos, Filmdokumente, Objekte.

Das Fenster zum All: Die „Cupola“, die Beobachtungskuppel der internationalen Raumstation ISS, wurde in der Endphase der Hüttenproduktion gefertigt.
Das Fenster zum All: Die „Cupola“, die Beobachtungskuppel der internationalen Raumstation ISS, wurde in der Endphase der Hüttenproduktion gefertigt. © Fischer

So etwa gibt es ein Gemälde von Graf Henrich zu Stolberg-Wernigerode zu sehen, dem Begründer der Henrichshütte; Bruchsteine des Rittergutes „Haus Bruch“, Ursprung der 1854 gegründeten Hütte; den Spaten vom ersten Spatenstich des Stahlwerkes 1969; eine ganze Wand voller bunter Blätter mit Protesttexten gegen die Hüttenschließung 1987. Und etliche weitere Erinnerungsstücke voller emotionaler Bedeutung. Darunter jene Stroh-Bauhelme, die jene Chinesen trugen, die 1990 den Hochofen 2 demontierten, um ihn in Hunan wieder in Betrieb zu nehmen.

Vom Aufkleber „Nicht für China“

Damals, erinnert sich Laube, seien alle Aggregate, die nicht für China bestimmt gewesen seien, mit gelben Punkten markiert worden, die für Fernost gedachten mit roten. Doch beide Seiten hätten des Nachts die Punkte der jeweils anderen übermalt – darauf seien Aufkleber „Nicht für China“ entwickelt worden.

Es sind insbesondere auch solche Geschichten hinter der Geschichte, auf die „Boom!“ setzt. Die im letzten Ausstellungsraum auch Objekte aus der jüngeren Vergangenheit zeigt: Hüttenlauf-Shirts, etwa oder einen Film von 1999, als das Licht am Hochofen 3 wieder angeschaltet wurde – begleitet von einem großen Fest. „Diese Ausstellung“, so Laube, „soll nicht zuletzt Lust auf die Zukunft machen.“

>>> AUSSTELLUNGSERÖFFNUNG MIT HISTORISCHEM FILM

Die Ausstellung „Boom! – Die Hütte zwischen Abbruch und Aufbruch“ ist vom 24. Mai bis zum 3. November im Industriemuseum, Werksstraße 31-33, zu sehen.

Zur Eröffnung an diesem Freitag wird u.a. der Film „Demolition Entertainment“ von Jörg Keweloh gezeigt, in dem neben anderen Sprengungen von Industriebauten auch die des Gasbehälters der Henrichshütte 1994 und die des Stahlwerkes elf Jahre später gezeigt werden. Beginn: 19 Uhr, der Eintritt ist frei.

Jeden Samstag, 15 Uhr, wird eine offene Führung durch die Ausstellung angeboten, und für Schulklassen gibt es museumspädagogische Angebote zu „Boom!“. Kontakt: 924 70.