Hattingen. Sie war Bedrohung, Herausforderung und Inspiration: 30 Jahre nach ihrem Ende will der Gestalter Egon Stratmann seiner Hütte ein Denkmal setzen.

„Die Feuer lodern, greifen in die Dunkelheit. Nächte glühen plötzlich auf. Schwaden ziehen weiß, wogen, treiben, wenn der Wind sie packt. Unruhe in mir. Papier, Farbe, der Zwang, dies malen zu müssen.“ (Egon Stratmann in „Die Hütte“)

Das Hüttenfeuer brennt. In ihm. Durch ihn. Egon Stratmann hat es festgehalten, in seinem Kopf, in seinen Werken. Die Menschen, sie sind ihm ans Herz gewachsen. Er hat sie schwitzen gesehen, malochen. Lachend, mit Leidenschaft. Er hat sie weinen gesehen. Am Boden, um ihren Job, ihren Lebensplan gebracht. Die Henrichshütte, sie ist Lebensinhalt des 81-Jährigen. Bedrohung war sie. Herausforderung. Inspiration. Jetzt Erinnerung. 30 Jahre nach ihrem Ende will der Blankensteiner seiner Hütte nun ein Denkmal setzen.

Zwei Silbermänner sollen in Welper aufgestellt werden

Zwei Silbermänner sollen auf dem Marktplatz in Welper aufgestellt werden, lebensgroß, in Aluminium gegossen. „Es ist das erste Mal, das ich mit einer Idee an die Stadt herangetreten bin“, sagt Egon Stratmann. „Das ist die letzte Arbeit von Bedeutung, die ich machen kann.“ Die Politik hat der Skulptur „Der Schmelzer“ bereits zugestimmt, jetzt geht es um die Finanzierung: Gespräche mit der Gartenstadt, Sparkasse und Volksbank laufen.

Hüttenarbeiter Ali ist eine der bedeutendsten Arbeiten von Egon Stratmann.
Hüttenarbeiter Ali ist eine der bedeutendsten Arbeiten von Egon Stratmann. © Svenja Hanusch

Egon Stratmann und die Hütte, die Hütte und Egon Stratmann. Wer sich mit ihm unterhält, spürt sofort diese Spannung, die ihn aufwühlt. „Ohne die Hütte wäre ich vielleicht ein Bildchenmaler im Landschaftswesen geworden“, beschreibt er die Bedeutung von Hochofen und Stahlwerk für ihn. „Die halbe Verwandtschaft hat ja hier gearbeitet, die Hütte war Hattinger Leben.“ Schon als junger Mann, während seines Meisterkurses in Dortmund, holt er sich vom Direktor die Erlaubnis, dass er nachts in einer Ecke sitzen und malen darf. Rot, Gelb, Orange. Ocker, Braun, Schwarz. Farbenspiele.

Schnitt.

1987, das Ende der Thyssen-Henrichshütte steht im Raum. Stratmann gestaltet ein Plakat für den Widerstand und läuft zufällig dem Betriebsratsvorsitzenden Rolf Bäcker über den Weg. Die beiden kennen sich vom Namen, nicht näher.

„Herr Bäcker, können Sie das gebrauchen“, fragt Stratmann.

„Gib her!“

Ab sofort war Egon Stratmann mittendrin. „Es war die großartigste, spannendste Zeit“, erinnert er sich. „Für die Betroffenen natürlich ein unfassbare Leidenszeit, die alle hochgepeitscht hat. Das Schöne im Schlechten war schließlich, dass es für alle eine Lösung gegeben hat. Die einen haben einen neuen Ar­beitsplatz in Krefeld bekommen, die anderen sind über den Sozialplan ausgeschieden – keiner wurde betriebsbedingt gekündigt. Mehr war nicht drin, denn es war ja schon länger nur eine Frage der Zeit, wann die Hütte ihr Ende findet.“

Hattingen als Generalprobe für Rheinhausen

Der Blankensteiner sagt, dass Hattingen die Generalprobe für Rheinhausen gewesen sei. Und dass Hattingen froh sein sollte, eben das gewesen zu sein – „denn so gab es wenigstens millionenschwere Fördermittel für den Strukturwandel.“

Schnitt.

Gegenwart. Wenn Egon Stratmann heute übers Hüttengelände fährt, überkommen ihn „gemischte Gefühle“. „Klar, es ist gut, dass hier wieder Arbeitsplätze entstanden sind, wenn auch weit weniger als es sie damals gab“, sagt er und denkt kurz nach. „Mein Gott, zehntausend Arbeitsplätze hat es hier gegeben, das muss man sich vorstellen.“

Dieses Werk befindet sich heute in Privatbesitz.
Dieses Werk befindet sich heute in Privatbesitz. © Svenja Hanusch

Und damit denkt er wieder an seine Hütte. „Es war eine großartige Zeit“, schwärmt er. „Der Schmutz, die Unordnung. Jetzt ist alles blank geputzt . . .“ Er spricht den Satz nicht zu Ende und ohne seine Mimik zu sehen, spürt man eine gewisse Abneigung gegen die moderne Arbeitswelt, die dort entstanden ist. „Das alles hat aber seine Berechtigung und ist wichtig“, so Stratmann.

Wie auch seine Silbermänner ihre Berechtigung haben, so viel Meinung sei dem Autor hier erlaubt. Denn sie sind Hütte. Sie sind Hattingen. Sie sind Stratmann pur.