Hattingen. . Die Kulturstiftung des Bundes finanziert vier Jahre lang einen Agenten, der helfen soll, das Hattinger Museum interkulturell zu öffnen.

Vom Erinnerungsort zum Bedeutungsort, der viel mehr Menschen als bisher erreicht: Das soll das Projekt „360° – Diversität“ im Industriemuseum Henrichshütte erreichen – und zwar zusammen mit vielen Beteiligten in der Stadt. Die Kulturstiftung des Bundes fördert das mit 360.000 Euro verteilt auf vier Jahre.

Der Löwenanteil ist für eine zusätzliche Stelle im Museum, für eine Agentin oder einen Agenten für Diversität. Das Museum bittet um Bewerbungen. Ausgeschrieben ist die Stelle für den 1. Juni. Die Bewerbungsfrist läuft bis zum 9. April. Netzwerken ist die Aufgabe, gesellschaftliche Vielfalt soll ins Museum kommen. Kontakt zu Migranten-Gruppen soll aufgebaut werden. Bewerber sollten bereits Diversitätskompetenz haben.

Das Museum bildet Gesellschaft nicht mehr ab

„Die Gesellschaft wird diverser. Die Kulturinstitutionen bilden das nicht ab“, sagt Betriebsassistentin Lena tom Dieck, die den Förderantrag fürs Museum formuliert hat. Die interkulturelle Öffnung soll vorangetrieben werden. „Wir haben noch keine fertigen Projekte oder Ideen in der Schublade. Aufgabe des neuen Mitarbeiters wird es sein, die Bereiche Personal, Publikum und Programm zu analysieren. Wir wollen wissen, wo wir in Hattingen stehen, wen wir erreichen, wen nicht.“

Die Diversität der Gesellschaft soll das LWL-Industriemuseum Henrichshütte in Hattingen in Zukunft abbilden.
Die Diversität der Gesellschaft soll das LWL-Industriemuseum Henrichshütte in Hattingen in Zukunft abbilden. © Bastian Haumann

Doch das Team blickt auch über Hattingen hinaus, hofft, nach vier Jahren eine Art „Leitfaden für Diversität in der Museumsarbeit“ für die anderen LWL-Museen liefern zu können.

Museum soll digitaler, mehrsprachig, inklusiver werden

Dass das Museum die Gesellschaft nicht mehr abbildet, zeigt Museumsleiter Robert Laube: „Das Museum behauptet, für alle da zu sein. Ist es aber derzeit nicht. Bei 100 Hüttenleben sind nur wenige Migranten dabei. Es haben aber viele hier gearbeitet. Die Aktion hat sich nicht bis zu ihnen herumgesprochen.“ Er erinnert sich, dass ein Imam ihn Anfang der 1990er-Jahre um eine Führung bat, weil viele Angehörige von Gemeindemitgliedern auf der Hütte gearbeitet hätten. „Plötzlich kamen dann 150 Leute, weil man den richtigen Knopf gedrückt hatte, die haben wir aber danach nie wieder erreicht.“ Das genau soll sich ändern. In den Integrationsrat wollte Laube das Thema bringen, will mit der Stadt, Bürgern und Vereinen kooperieren. Das Museum als Forum ist ein Gedanke. Das Museum muss digitaler, mehrsprachig, inklusiver werden. Das weiß das Team um Laube.

„Wir wollen nicht nur die Expertensicht einbeziehen, sondern mehrere Sichtweisen einbinden, auch emotionale“, erklärt tom Dieck. Mit den Bürgern sollen Ideen entwickelt werden, leichte Sprache ausgebaut, Diversität am Standort verankert, Teilhabe garantiert und so neues Publikum gewonnen werden.

>>> INFO: Fördermittel

Die Kulturstiftung des Bundes gibt 360.000 Euro. 260.000 davon sind für die Agenten-Stelle über vier Jahre, 100.000 Euro für Projekte.50.000 Euro muss das Museum zusätzlich selbst aufbringen. „Das ist gut investiertes Geld“, sagt Museumsleiter Robert Laube. Er freut sich aufs Projekt, denn „ich bin nicht zufrieden mit dem Status quo“.

>>> KOMMENTAR: Ärmel kochkrempeln für den nächsten Wandel

Das Museumsteam ruht sich nicht aus auf bereits Erreichtem. Das ist gut so. Denn ein Museum als Elfenbeinturm ist keine Option. Die Menschen müssen gerne ins Museum kommen, die Schwelle muss niedrig sein. Was passieren muss, damit das so ist? Es ist doch schlau, da die Menschen selbst zu fragen, was für sie ein Museum attraktiv macht.

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Der „Weg der Ratte“ ist super, weil hier schon Kinder lernen: Museum macht Spaß. Wer als Kind nicht gewonnen wird, der überschreitet auch als Erwachsener vermutlich nicht die Schwelle an der Werksstraße 31-33. Eine Bestandsaufnahme durch den Agenten ist richtig und wichtig. Aber sie muss schnell in Kontakte, Ideen, Projekte münden. Damit es nicht bei Rede- und Beteuerungsrunden bleibt. Doch das ist nicht nur Aufgabe des Museums. Das kann nur initiieren. Die Bürger müssen die Chance der Beteiligung erkennen und mitmachen, Zeit investieren. Sie verhelfen nicht nur dem Museum zu einer Zukunft – sondern bereichern sich selbst um einen lebendigen Ort. Ich bin sicher: Das gelingt. Denn immerhin hat die Henrichshütte mehrfach bewiesen, dass sie eines kann: Wandel. Also: Ärmel hochkrempeln. Es geht los. Liliane Zuuring