Hattingen. Dirk Glaser lässt sich beim Jahresempfang die Meinung sagen. IHK-Hauptgeschäftsführer Eric Weik sieht noch viel ungenutztes Potenzial.

Was dem Bürgermeister wichtig ist in seiner Ansprache beim Jahresempfang der Stadt, sieht man immer daran, wen er auf die Bühne bittet. Nach dem Thema „Sauberkeit“ im Vorjahr rückte Dirk Glaser am Samstag in der Gebläsehalle des Industriemuseums Hattingen als Wirtschaftsstandort in den Blick. Kritische Töne inbegriffen.

Die Feuerwehr ist beim Jahresempfang immer zahlreich vertreten.
Die Feuerwehr ist beim Jahresempfang immer zahlreich vertreten. © Fischer

So lobt IHK-Hauptgeschäftsführer Eric Weik beim kurzen Zwiegespräch mit Dirk Glaser durchaus die Attraktivität der kleinsten Stadt im Kammerbezirk. „Viele Menschen pilgern geradezu nach Hattingen, weil die Stadt so schön ist“, hat Weik beobachtet. Sieht aber bei der Vermarktung der Kommune Luft nach oben. Das große Potenzial könne man viel intensiver nutzen, etwa durch eine bessere Beschilderung der Sehenswürdigkeiten. Und nicht nur das. Die Steuersätze müssten sinken, die Stadtverwaltung müsste noch bürger- und wirtschaftsfreundlicher arbeiten, schreibt Weik dem Bürgermeister ins Stammbuch.

Glaser bedankt sich für das Lob („An den weichen Standortfaktoren arbeitet jeder Bürger mit“) und nimmt die Kritik an („Hattingen muss sich wirtschaftlich bewähren. Wir wollen mehr als eine Schlafstadt sein“).

Eine weitere verbotene Stadt

Zwei große Wirtschaftsthemen stellt der Bürgermeister dann auch in seiner Rede heraus. Da ist die geplante Übergabe des Kanalnetzes an den Ruhrverband. 110 Millionen Euro soll das Geschäft in die Stadtkasse spülen. „Es wäre ein Befreiungsschlag für unsere Stadt und würde die Zukunft der nächsten Generationen sichern“, ruft Dirk Glaser den rund 600 geladenen Gästen zu. „Und es ist eben kein Vabanquespiel und kein Cross-Border-Abenteuer.“

Beim zweiten Thema geht es um eine verbotene Stadt. So nannte man einst ein Stadtviertel in Peking und das Gelände der Henrichs­hütte. Glaser hat nun eine weitere „verbotene Stadt“ ausfindig gemacht: das ehemalige O&K-Gelände an der Nierenhofer Straße. „Es ist gelungen, diese verbotene Stadt zu öffnen“, sagt Glaser und bezieht auch das benachbarte ehemalige Rewe-Areal mit ein. Hotel und Polizeiwache seien schon da, die Stadtwerke kämen bald hinzu, zählt Glaser auf. Und: Die Stadt prüfe zurzeit den Umzug von der Bahnhofstraße in das alte O&K-Verwaltungsbeäude.

Mit der Wahl ein Zeichen setzen

Um Europa geht es dem Bürgermeister im politischen Teil seiner Rede. „Ein starke Europäische Union ist nicht nur wirtschaftlich für uns wichtig. Sie ist auch ein Garant für Frieden, Sicherheit und Wohlstand“, warnt Glaser vor dem Brexit. Die Europafeinde würden immer lauter. Alternativen hätten sie nicht. „Wir sollten mit unserer Teilnahme an der Europawahl am 26. Mai ein Zeichen setzen“, so Glaser. „Gehen wir wählen, damit es uns nicht so geht wie den Briten, die erst nach dem Referendum merkten, was ihre Passivität angerichtet hat.“

Bund und Land fordert der Bürgermeister auf, „endlich zu begreifen, dass die großen gesellschaftlichen Herausforderungen von den Städten und Gemeinden zu erfüllen sind: miserabler öffentlicher Nahverkehr, Pflegenotstand, Bildungsnotstand, eklatanter Mangel an bezahlbarem Wohnraum, digitale Diaspora, Altersarmut.“