Hattingen. Etwa 200 Hattinger haben ihren Erstwohnsitz auf dem Campingplatz an der Tippelstraße. Wegen des angespannten Wohnungsmarktes werden sie geduldet.
Die Stadt Hattingen will vorerst nun doch nichts gegen die Hattinger unternehmen, die ihren Erstwohnsitz im Freizeitdomizil Ruhrtal gemeldet haben. Auch wenn dauerhaftes Wohnen auf Campingplätzen in Deutschland bauplanungsrechtlich nicht zulässig ist, verzichtet die Verwaltung entgegen früherer Überlegungen darauf, die betroffenen Bewohner an der Tippelstraße 4 aufzufordern, sich eine neue Bleibe zu suchen. Das teilte Stadtsprecher Thomas Griesohn-Pflieger auf WAZ-Anfrage mit.
Die Vorgeschichte: Im Frühjahr vergangenen Jahres war öffentlich bekannt geworden, dass knapp 200 Hattinger ihren Erstwohnsitz im Freizeitdomizil Ruhr haben – ein Verstoß gegen Paragraf 10 der Baunutzungsordnung. Der nämlich besagt, dass Campingplätze unter die Sondergebiete fallen, die der Erholung dienen, in denen dauerhaftes Wohnen also nicht gestattet ist.
Geplante Schreiben wurden nicht abgeschickt
Bei der Stadtverwaltung suchte man nach Möglichkeiten, die Angelegenheit rechtssicher zu machen. Die Erste Beigeordnete Christine Freynik sagte, man wolle die Betroffenen anschreiben mit der Aufforderung, sich eine neue Bleibe zu suchen. Hierfür erwäge man eine Zwei-Jahres-Frist.
Inzwischen hat die Verwaltung von diesem Vorhaben Abstand genommen, die Schreiben sind auch bis heute nicht abgeschickt worden. Ohne dies schriftlich fixieren zu wollen, habe man sich aufgrund des angespannten Wohnungsmarktes in der Stadt dazu entschieden, den Ist-Zustand auf unbestimmte Zeit zu dulden, sagt Thomas Griesohn-Pflieger. „Damit sind wir nicht glücklich, aber wir wären es noch weniger, wenn diese Menschen plötzlich kein Obdach mehr hätten.“ Immerhin habe die Feuerwehr bei einer Begehung des Platzes keine feuerwehrtechnischen Bedenken gehabt, so der Stadtsprecher. Zudem würden neue Dauercamper für die Tippelstraße seit dem vergangenen Jahr per Merkblatt darauf aufmerksam gemacht, dass dauerhaftes Wohnen dort erstens nicht zulässig ist. Und dass zweitens für sie „kein Vertrauensschutz besteht“. Neue Erstwohnsitz-Anmeldungen für das Freizeitdomizil Ruhrtal hätten sich seitdem in Grenzen gehalten, 2018 habe man gerade einmal drei gezählt, so der Stadtsprecher. Die Zahl der Hattinger mit Erstwohnsitz an der Tippelstraße 4 sei zudem um ein gutes Dutzend auf aktuell noch 186 zurückgegangen.
Rechtssicheres dauerhaftes Wohnen
Unternehmer Dietmar Harsveldt, der neben der Anlage an der Tippelstraße auch Camping- und Mobilheimplätze in Mülheim, Kamp-Lintfort und im niedersächsischen Rethem betreibt, erklärt derweil, es gebe für Kommunen längst eine Möglichkeit, dauerhaftes Wohnen auf Campingplätzen rechtssicher zu machen. Dank einer im Mai 2018 in Kraft getretenen geänderten Bestimmung im Baugesetzbuch (Paragraf 12,7), die er durch eine Petition an den Bundestag mit erwirkt habe.
In Böhme, wo er den Freizeitpark Rethemer Fähre betreibt, sagt Harsveldt, sei er diesbezüglich bereits mit der Kommune im Gespräch. Und in Kamp-Lintfort stellte die Kommune mehr als 300 Erstwohnsitze fest und führte eine Stichtagsregelung ein: Wer seinen Wohnsitz vor dem 1. Januar 2011 auf dem Campingplatz angemeldet hat, darf bis zum Lebensende dort wohnen bleiben – vererben oder verkaufen ist ausgeschlossen.
>> WAZ-Anfrage macht den Fall öffentlich
Eine Anfrage der WAZ hatte das Problem der Erstwohnsitze auf dem Mobilheimplatz an der Tippelstraße öffentlich gemacht. Anlass für diese war der Fall von Marc Masekowitz gewesen.
Dieser hatte in dem 2013 abgeschlossenen Mietvertrag mit dem Campingplatzbetreiber versichert, einen festen anderen Wohnsitz zu behalten.