Hattingen. Fast 200 Bewohner des Freizeitdomizils Ruhrtal brauchen eine neue Bleibe. Die ständige Unterkunft auf dem Gelände ist planungsrechtlich verboten.

Die Stadt fordert fast 200 Hattinger auf, sich eine neue Bleibe zu suchen. Die Betroffenen haben ihren Erstwohnsitz im Freizeitdomizil Ruhrtal. Der Name ist eigentlich Programm und sagt, wo’s langgeht an der Tippelstraße 4. Dort soll nicht dauerhaft gewohnt werden. Verboten ist es zwar nicht, seinen Erstwohnsitz an dieser Stelle gegenüber dem Einwohnermeldeamt anzugeben, sagt Rechtsdezernentin Christine Freynik. Planungsrechtlich sei es jedoch nicht gestattet, dort ständig zu wohnen.

Die an der Tippelstraße gemeldeten Personen bekommen in den nächsten Wochen Post von der Stadtverwaltung mit der Aufforderung, sich eine Wohnung zu suchen. Im Hauruckverfahren will Christine Freynik den Wohnungswechsel allerdings nicht abwickeln, sondern den Betreffenden eine längere Frist einräumen.

Das hat zwei Gründe. „Zum Teil wohnen die Menschen dort schon sehr lange“, sagt Freynik. Weshalb sie an eine Frist von ein bis zwei Jahren denkt, wobei ihr ein Jahr eher zu knapp bemessen scheint. Am genauen Zeitraum wird derzeit noch gefeilt. Die Verwaltung hat noch nicht ausgewertet, wer sich seit welcher Zeit auf dem Platz aufhält.

Wohnungsmarkt angespannt

Der gewichtigere Grund dürfte sein: „Wenn wir den Platz räumen, müssen wir anderen Wohnraum zur Verfügung stellen. Dann würden fast 200 Menschen obdachlos. Das können wir nicht auffangen.“

Marc Masekowitz vor seinem Haus auf dem Campingplatz Freizeitdomizil Ruhrtal. Er wohnt nicht mehr dort, sein Mietvertrag wurde gekündigt.
Marc Masekowitz vor seinem Haus auf dem Campingplatz Freizeitdomizil Ruhrtal. Er wohnt nicht mehr dort, sein Mietvertrag wurde gekündigt. © Fischer

Im Moment sind bei der Stadt 16 Wohnungslose offiziell gemeldet, sagt Stefanie Berkermann, Leiterin des Fachbereichs Soziales und Wohnen. Vor einiger Zeit waren es 22. Auch wer nicht zum Personenkreis gehört, der möglicherweise schwer zu vermitteln ist, finde kaum Wohnraum. „Wir haben nicht genügend sozialen Wohnungsbau und die Mieten sind relativ hoch“, so Stefanie Berkermann. Vor allem für einzelne Personen sei es schwer, etwas zu finden. Die Situation auf dem Wohnungsmarkt sei in den letzten Monaten eher schlechter geworden.

Anfrage nach Erstwohnsitzen hat Stein ins Rollen gebracht

Den Stein ins Rollen gebracht hat die WAZ mit einer Anfrage nach Erstwohnsitzen auf dem Platz, die die Stadt jetzt beantwortet hat. Anlass war Marc Masekowitz, dessen Mietvertrag für den Stellplatz vom Betreiber gekündigt worden war. Die Kündigung hatte das Amtsgericht im April 2017 bestätigt mit dem Hinweis, das Landgericht Essen bescheinige einer Berufung „keine Aussicht auf Erfolg“.

Im Mietvertrag hatte der Ex-Fahrlehrer versichert, einen festen anderen Wohnsitz zu behalten, und unterschrieben, der nur für ein Jahr geltende Vertrag könne drei Monate vor Ablauf von beiden Seiten gekündigt werden. Heute würde der 47-Jährige so einen Vertrag nicht mehr unterschreiben, sondern ihn juristisch abklopfen lassen, sagt er.