Hattingen. Eine Installation aus 100 lebensgroßen Porträts ehemaliger Hüttenwerker am Industriemuseum erinnert an die Menschenkette von 1987.

  • 30 Jahre nach der Menschenkette um Hochofen 3 erinnert eine Installation an das Ereignis
  • Die Solinger Fotografin Astrid Kirschey hat für diese 100 ehemalige Hüttenarbeiter porträtiert
  • In Interviews, durchgeführt von Zeitzeugen, geben die Menschen weitere Einblicke in ihr Leben mit der Hütte

Sie haben einander die Hände gereicht, damals, am 23. April 1987, und mit 5000 Menschen eine Kette gebildet um den Hochofen 3 ihrer Hütte, gegen deren Stilllegung sie demonstrierten mit dieser spektakulären Aktion. 30 Jahre später erinnert eine Ausstellung rund ums Industriemuseum mit Porträts ehemaliger Hüttenarbeiter von der Solinger Fotografin Astrid Kirschey an diesen Kampf: „100 Hüttenleben“.

Mit einer Menschenkette demonstrierten  am 23. April 1987 500 Hüttenarbeiter gegen deren Stillegung.
Mit einer Menschenkette demonstrierten am 23. April 1987 500 Hüttenarbeiter gegen deren Stillegung.

Männer und Frauen, die die Hände ausstrecken, als wollten sie noch einmal eine Menschenkette bilden, sind dabei zwischen Bushaltestelle und Eingangsbereich des Industriemuseums zu sehen – auf lebensgroßen, vor Graffiti geschützten Tafeln. Jedem der 100 Porträtierten, die sich Astrid Kirschey ohne jegliches Posing präsentierten und die stellvertretend stehen für die 5000 von einst, ist dabei ein Zitat zugeordnet, das Einblick gibt in sein Leben auf und mit der „Hütte“. „Die Hütte war alles für mich und wenn sie nicht zugemacht hätte, wäre ich bis zur Rente geblieben“, sagt da etwa der gebürtige Ostpreuße Jörn Riedesel (Jahrgang 1942). Und Paul Chwaliszewski aus Bochum-Linden (Jahrgang 1945) erinnert sich bis heute an „tolle Kollegen – besser hätte es nicht sein können“.

Interviews zwischen 2013 und 2016 geführt

Interviewt wurden Riedesel, Chwaliszewski und all die anderen 98 in der Installation zu sehenden früheren Hüttenwerker zwischen 2013 und 2016 von Helmut Helling und Udo Böhm, der selbst zehn Jahre auf der Hütte tätig war. Böhm, Vorsitzender des Fördervereins Industriemuseum, erinnert sich dabei an so manchen Interviewten, der nach anfänglicher Scheu aus dem Reden gar nicht mehr herauskam. Auch sei bei den Gesprächen so manche Träne geflossen. Doch bei allem Schmerz über den letztlich verlorenen Hüttenkampf „konnte man auch immer wieder den Stolz heraushören, zu dieser Hütte dazugehört zu haben“. Neben den Interviews, von denen Ausschnitte im Ausstellungsbuch samt DVD veröffentlicht sind, entstand aus rund 50 Stunden Filmmaterial auch ein eineinhalbstündiger Videofilm.

Das Projekt „1000 Hüttenleben“ sei „ein Schatz, dessen Wert mit den Jahren steigen wird“, lobt Dirk Zache, Direktor des LWL-Industriemuseums. Dass Zeitzeugen Zeitzeugen befragen, biete „eine ganz neue Qualität“. Und Museumsdirektor Robert Laube betont: Die Bild-Text-Collage rund um Hochofen 3 verdeutliche, „wer im Zentrum unserer Arbeit steht: die Menschen“. Und auch daran erinnert er: dass die stillgelegte Hütte heute als Museum „zu einem erhaltenswürdigen Ort mutiert ist“. Der Menschen noch immer zueinander bringt. Wenn auch auf andere Weise.