Hattingen. Am 19. Februar 1987 wurde das Aus für die Henrichshütte verkündet. Eine Betrachtung, wie die Stadt Hattingen den Strukturwandel geschafft hat.

Nein, Worte können nicht beschreiben, wie sich Tausende Hattinger an diesem 19. Februar 1987 gefühlt haben. Fassungs- und sprachlos waren sie, mit Ge­genwartsschmerz überzogen, mit Zukunftsangst belastet. Hattingen wurde an diesem Tag das Herz herausgerissen, die Stadt würde daran zu Grunde gehen – das war zumindest die feste Überzeugung. Hattingen ohne Henrichshütte, damals unvorstellbar, aber seit nunmehr 30 Jahren ist es jetzt schon so – und es gibt keinen Zweifel, dass die Stadt es gut hinbekommen hat.

Der Strukturwandel funktioniert. Nachdem Kolosse wie Gasometer, Stahl- und Walzwerk plattgemacht worden waren, wuchs nach und nach ein Industriegebiet, das die verschiedensten (Arbeits-)Bereiche vereint, vornehmlich sind das inzwischen Dienstleistungen, eher wenig verarbeitendes Gewerbe. 80 Unternehmen haben sich angesiedelt, mehr als 2000 Arbeitsplätze sind entstanden. Sicher, in den Hoch­zeiten der Henrichshütte arbeiteten um die 10.000 Menschen hier (1950er-Jahre), kurz vor dem Hütten-Aus waren es noch knapp 5000 – auf der anderen Seite lag die Arbeitslosenquote vor 30 Jahren bei mehr als 13 Prozent, während es im Januar 2017 nur 6,7 Prozent waren.

Immense Fördermittel

Möglich wurde dieser Übergang, der sicherlich nicht zur Gänze reibungslos funktionierte, durch immense Fördermittel, die über die Jahre zum Zwecke des Strukturwandels in die Stadt geflossen sind. Und das war das Gute im Schlechten: Weil Hattingen der erste Standort war, der dichtgemacht wurde, haben Bund und Land, Landschaftsverband und andere öffent­liche Institutionen die finanziellen Möglichkeiten noch ein bisschen flüssiger gestaltet als später in anderen Städten und Regionen.

Heute ist Hattingen die Altstadt des Reviers. Die grüne Oase Hügelland ist eine Perle des Ruhr­gebiets, der Ruhrtal-Radweg zieht viele Gäste. Es werden Hotels gebaut, neue Freizeitmöglichkeiten geprüft und geplant. Hattingen lebt.

Hattingen vergisst nicht

Hattingen vergisst aber auch nicht. Viele haben immer noch den traurigen, ja schmerzvollen Blick zurück – an rauchende Schlote, das flüssige Eisen, den ächzenden Hochofen, kurz: die gute alte Zeit. Und so wahren Robert Laube und sein Team des Industriemuseums der Henrichs­hütte ein gebührendes Andenken. Auch und vor allem in diesem Jahr, in dem die Erinnerungen wieder hochkochen werden. Sie werden sich Geschichten erzählen und diskutieren, sie werden lachen und sich Tränen wegdrücken. Sie werden berichten von dem Tag, der Hattingen veränderte.