Gladbeck. . Sechs Eichhörnchen-Babys, dazu zwei Halbstarke und ein behindertes Tier versorgt Inge Ruttkowski aus Gladbeck zurzeit in ihrer Pflegestation. Dazu kommen weitere Tiere, die auf die Auswilderung vorbereitet werden. Ein Job, bei dem die Schultendorferin nur selten Zeit zum Durchschnaufen findet.

Gibt es wohl etwas Niedlicheres als Babyeichhörnchen? Puschelige, spitze Öhrchen, große Knopfaugen, übergroße Hände und Füße – das Kindchenschema funktioniert bei den flinken Nagern einwandfrei. Doch wenn Besucher verzückt „Ah“ und „Oh“ seufzen, kann Inge Ruttkowski nur müde abwinken.

Denn müde ist sie meistens, seit eine ganze Armada Eichhörnchen bei ihr eingezogen ist. Sechs Waisenhörnchen, nur wenige Wochen alt, haben Quartier im Wäschekorb bezogen. „Sturmopfer“, sagt die Ersatzmutter, deren Einsatz für die Tiere sich längst auch in Gladbecks Nachbarstädten herumgesprochen hat. Und so wurde auch der Sechserpack aus Essen gebracht.

So niedlich sie sind, so viel Arbeit machen sie. Alle zwei Stunden brauchen die Babys Futter. Bei Inge Ruttkowski bekommen sie Katzenaufzuchtmilch, verabreicht durch eine kleine Spritze. Doch damit ist es nicht getan, denn auch bei der Verdauung brauchen die Eichhörnchen noch Hilfe. In der Natur erledigt das die Mutter, indem sie den Bauch leckt. Im Waisenhaus muss die Ersatzmami sanft massieren. Nach jedem Füttern.

Keine Zeit fürs Radio

17 Pfleglinge hat die Schultendorfer Hausfrau in diesem Jahr schon aufgepäppelt, weitere werden vermutlich folgen. Zu den sechs Säuglingen kommen zurzeit noch zwei Halbstarke, die schon selbst fressen können, ein Dauergast, der aufgrund einer Behinderung nicht mehr ausgewildert werden kann, und einige Hörnchen in einer Auswilderungsvoliere. Ein Vollzeitjob. „Ohne meinen Mann ginge das nicht“, sagt sie. Hinter der Tierpflege muss auch ihre Leidenschaft, ihr eigener Webradiosender (RadioNR1.de), zurückstehen.

Tierlieb war die 48-Jährige schon immer, zwei Hunde gehören zur Familie, zwei Miniponys, eine Ziege und eine Ente. Das erste Eichhörnchen allerdings war nicht geplant. „Mein Mann und mein Vater haben es bei einem Spaziergang gefunden.“

56 Gramm schwer war das Tierchen (bei 220 Gramm können sie ausgewildert werden), krank, laut Tierarzt nicht zu retten. „Das wollen wir doch mal sehen“, sagte sie, informierte sich, las im Internet, nahm Kontakt zu Experten auf. Und siehe da: Es ging. Zwar konnte dieses Tier nicht mehr ausgewildert werden, aber es legte den Grundstein für die Pflegestation.

Das war vor rund drei Jahren. Eichhörnchen-Experten sind rar, und so zieht sie mittlerweile auch Tiere aus Essen, Gelsenkirchen und anderen Städten groß. Weil Eichhörnchen unter Naturschutz stehen, führt sie Buch über Ein- und Ausgänge und reicht ihre Listen weiter ans Veterinäramt.

Ein Kinderzimmer für Eichhörnchen-Babys

Inge Ruttkowski mit einem Klettermax

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Das Bauchmassieren ist ganz wichtig

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So winzig sind die kleinen Nager-Babys

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Alle zwei Stunden gibt's was zu futtern

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Und die Kleinen haben immer Hunger

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Puschelige Öhrchen, große Knopfaugen

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Sechs Nager-Babys betreut Inge Ruttkowski derzeit

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Zwei Teenies, die bald ausgewildert werden können

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Armklettern kann so müde machen

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Die zwei Süßen sind noch in der Babystube

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Hilfe bei Facebook gesucht und gefunden 

So schön die Arbeit mit den Tierbabys ist, so anstrengend ist sie auch. Wochen -, ja monatelang alle zwei Stunden parat zu stehen, um die Tierchen zu versorgen, das schlaucht. Bei Facebook setzte Inge Ruttkowski einen Hilferuf ab. Die 14-jährige Iljana meldete sich – und gehört seit einigen Wochen fest zur Eichhörnchen-Familie. Fast jeden Tag hilft sie, die Tierchen zu füttern, massiert kleine Bäuche und ekelt sich auch nicht vor den Ausscheidungen. „Das macht mir nichts aus“, sagt sie trocken und kommentiert fröhlich jeden Verdauungserfolg der Tierbabys. „Ich finde es toll, diese Erfahrung machen zu können – außerdem möchte ich später Tierärztin werden“, sagt sie, dafür opfert sie gern ihre Ferientage.

Helfen und gleichzeitig lernen

„Sie macht das so toll, die muss ich doch halten“, sagt Inge Ruttkowski lachend. Von Anfang an haben sich die beiden gut verstanden. Das ist wichtig, denn sie müssen ja viel Zeit miteinander verbringen. Dabei lernt die Schülerin eine ganze Menge über das Wesen der Eichhörnchen.

Zum Beispiel das: „Bei Eichhörnchen gibt es genauso Links- und Rechtshänder wie bei Menschen.“ Und dann erzählt die Expertin, dass Skeptiker behaupten, Eichhörnchen, die von Menschen aufgezogen würden, könnten in der freien Wildbahn nicht überleben. „Es heißt, ein Eichhörnchen, das nicht lernt, Nüsse zu verstecken, wird es nie machen.“ Ihre Beobachtungen widersprechen dem: „Die verstecken ihr Futter, sobald sie es in die Hände bekommen.“ Die beiden Halbstarken, die sich gerade in einer kleineren Voliere mit fester Nahrung vertraut machen, haben damit bereits begonnen. Bald dürfen sie umziehen in die große Voliere, dann in die Auswilderungsvoliere am Pferdestall – und dann geht es Sprung für Sprung, in die Freiheit.