Gladbeck. . Wegen Misshandlung von Schutzbefohlenen, böswilliger Vernachlässigung, Verletzung der Fürsorgepflicht und Körperverletzung musste sich eine 33-jährige Gladbeckerin vor dem Schöffengericht verantworten. Sie hatte ihrem Säugling wochenlang zu wenig zu essen gegeben - aus Angst vor ihrem Partner.

Misshandlung von Schutzbefohlenen, böswillige Vernachlässigung, Verletzung der Fürsorgepflicht, Körperverletzung. Schwere Vorwürfe erhob die Staatsanwaltschaft gegen eine 34-jährige Frau, die sich gestern vor dem Schöffengericht am Amtsgericht verantworten musste.

Sie hatte ihre am 15. März 2013 geborene Tochter über Wochen zu wenig gefüttert. Mit drei Monaten, als die Kleine auf Betreiben des Jugendamtes in ein Krankenhaus gebracht wurde, wog der Säugling gerade mal 3780 kg, war sehr ausgetrocknet und wies Hämatome im Gesicht auf.

Kaum soziale Kontakte und Schläge vom Freund

Es ist die Geschichte einer maßlos überforderten Frau, die sich dem Vater ihres Kindes auf Gedeih und Verderb ausgeliefert fühlte. Freimütig und zeitweise unter Tränen schilderte sie vor Gericht ihre damalige Situation, versuchte zu erklären, „was eigentlich nicht zu erklären ist“, wie es die Staatsanwältin formulierte.

Die Eltern tot, kaum Kontakt zu den beiden Geschwistern, keine Freunde – soziale Kontakte pflegt sie nur übers Internet. Auf diesem Weg lernt sie auch den einige Jahre älteren P. kennen. „Erst war er nett und freundlich, aber nach und nach wurde er immer gewalttätiger.“ Trotzdem zieht das Paar aus dem Münsterland in eine gemeinsame Wohnung in Gladbeck. Die 34-Jährige berichtet von Schlägen, von psychischem Druck, von totaler Kontrolle, von ihrer ständigen Angst, irgendetwas falsch zu machen. „Ich war eine Marionette.“

Mutter und Kind geht es jetzt gut

Die 34-Jährige lebt mit ihrer einjährigen Tochter jetzt in einer Mutter-Kind-Einrichtung in einer anderen Stadt.

Ihre Betreuerin dort schilderte vor Gericht, dass sich das Kleinkind ganz normal entwickelt habe und die Mutter auf einem sehr guten Weg sei.

Zu ihrem Ex-Partner hat die 34-Jährige keinen Kontakt mehr. Als Zeuge machte er gestern vor Gericht von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch, das ihm zusteht, weil auch gegen ihn ein Verfahren anhängig ist. Er muss sich am 6. Mai vor dem Schöffengericht verantworten. Seine Ex-Partnerin ist dann Zeugin.

Sie wird schwanger und – wieder kaum zu begreifen – sie ahnt es zwar, verdrängt es aber so intensiv, dass sie „völlig überrascht war, dass ich ein Kind bekommen habe, als ich mit Bauchschmerzen ins Krankenhaus ging“. Sie will ihre Tochter abgeben, lässt sich von ihrem Partner überreden, das Kind zu behalten. In den ersten Wochen steht ihr eine Hebamme zur Seite. Dann verbietet P. diese Besuche, verbietet ihr auch, so die Anklage, das Kind regelmäßig zu füttern – aus Kostengründen. Im Jugendamt bemüht sich die 34-Jährige um eine Tagesmutter, „damit das Kind aus seinem Schussfeld kam“.

Freiheitsstrafe war unumgänglich

Den Tagespflegeeltern fällt zwar auf, dass der Säugling „sehr zart“ ist, Anzeichen von Vernachlässigung oder gar Misshandlung entdecken sie nicht, sagten sie als Zeugen vor Gericht aus.

Staatsanwältin und Verteidiger waren sich einig: Eine Freiheitsstrafe sei unumgänglich, eine Bewährung samt Bewährungshelfer wichtig. Das milde Urteil überraschte sie dann beide: Sechs Monate Haft mit zweijähriger Bewährungszeit wegen Verletzung der Fürsorgepflicht in Tateinheit mit Körperverletzung. Böswilligkeit könne man der 34-Jährigen nicht unterstellen, sagte Vorsitzende Richterin Rita Jensen.