Gladbeck. . „Was ich gemacht habe, hätte doch jeder so gemacht“, sagt Sükri Sahwaz. Für sein Verhalten nach dem Unfall zwischen einem Reisebus mit Schülern aus Essen und einem Geisterfahrer kann sich der 49-jährige Busfahrer aus Gladbeck über viel Lob für sein besonnenes Verhalten freuen - während seine Verletzungen im Bergmannsheil in Buer behandelt werden.
Eigentlich müsste sich Sükri Sahwaz erstmal erholen von dem Schock. Aber wie soll das gehen, wenn das Telefon nicht still steht und Kamera-Teams im Krankenhaus anrücken? Überschüttet worden ist Sahwaz mit Lob für sein besonnenes Verhalten, das Schlimmeres verhindert hat bei dem Unfall zwischen einem Geisterfahrer und dem Reisebus, den der 49-jährige Gladbecker steuerte, auf der Autobahn A 5 am Wochenende. Jetzt wollen alle wissen, wie Sahwaz das erlebt hat, diese schlimmen Sekunden, Minuten auf frühen Samstagmorgen nahe Weil am Rhein.
„In dem Moment war alles zu spät“
Um kurz nach vier Uhr morgens haben sie gerade die Grenze von der Schweiz nach Deutschland überquert, erinnert sich Sahwaz auf dem Krankenbett im Bergmannsheil in Gelsenkirchen-Buer. „Ich bin ganz normales Tempo gefahren.“ Der Tempomat steht bei 100 Stundenkilometern, die Fahrt ist flüssig. Da warnen auf dem Standstreifen Polizeiwagen mit eingeschaltetem Blaulicht.
Sahwaz verlangsamt die Fahrt, mit dem Reisebus ist er in der rechten Spur unterwegs. Dann sieht er die Lichter des entgegen kommenden Kleinwagens: „In dem Moment war alles zu spät“, erinnert er sich. Sahwaz zieht den Bus noch in die linke Spur - „aber das hat der auch gemacht“. Es kommt zur Kollision. Mit beiden Händen umklammert Sahwaz das Lenkrad, sein Beifahrer hält mit fest. Sahwaz tritt auf die Bremse. Den Kleinwagen des Geisterfahrers schieben sie vor sich her - hunderte Meter über die Autobahn. Dann gelingt es Sahwaz, den Bus in die rechte Spur zu bekommen. Er kommt - halb auf dem Standstreifen - zum Stehen. Vom Armaturenbrett ist wenig übrig.
Der Beifahrer öffnet mit Mühe die Türen: 60 Schüler des Essener Berufskollegs Ost und ihre Betreuer verlassen den Bus - es ist das vorläufige Ende der Rückreise aus dem Toskana-Urlaub. Die Lehrer helfen noch, Sahwaz aus dem Bus zu bringen, der 49-Jährige hat sich beim Unfall den Fuß eingeklemmt und gebrochen. Er hat Splitter im Auge abbekommen. Während sich die Schüler hinter der Leitplanke in Sicherheit bringen, lässt sich sich Sahwaz von den Lehrern zum Batterie-Trennschalter bringen, um die Stromversorgung zu kappen, damit es nicht noch zu einem Kurzschluss kommt. „An die Schmerzen“, berichtet der 49-Jährige, „habe ich nicht gedacht. Was ich gemacht habe, ist doch ganz normal. Das hätte doch jeder so gemacht.“
„Zu 100 Prozent vorbildlich“
Während der Geisterfahrer, der sich wohl das Leben nehmen wollte, bei dem Unfall gestorben ist, werden im Bus nur Sahwaz und einer der Schüler verletzt. Lehrer des Berufskollegs haben sich am Montag in einer E-Mail an das Busunternehmen Urban Reisen gewandt, in der die „unglaubliche Reaktion“ von Sahwaz gewürdigt wird. Bei den beiden Fahrern will sich die Schule noch persönlich bedanken. Auch Urban Reisen lässt mitteilen, Sahwaz und sein Kollege hätten sich „zu 100 Prozent vorbildlich“ verhalten. An einen vergleichbaren Unfall dieser Art kann sich in dem seit 1962 bestehenden Unternehmen niemand erinnern.
Während Sahwaz im Bergmannsheil auf weitere Untersuchungen seines gebrochenen Fußes wartet, ist sein Beifahrer schon auf der nächsten Tour in Richtung Ostsee unterwegs. Sahwaz wird wohl einige Tage im Krankenhaus bleiben müssen: „Mir geht’s blendend“, sagt der 49-Jährige trotzdem frohen Mutes, „meine Familie ist die beste Therapie.“