Essen. . Er impfte, nahm Blut ab und schrieb Atteste. Kompetent wirkte der Betriebsarzt auf die Mitarbeiter der Stadt Gladbeck. Nur Arzt war der 59-jährige Herner nicht. Hat weder Staatsexamen noch Approbation. Deshalb verurteilte das Landgericht Essen ihn am Freitag zu dreieinhalb Jahren Gefängnis.
Es war nicht seine erste Verurteilung. Seit 1981 arbeitet der hagere ältere Herr als Mediziner. „Zwei Jahre lang habe ich in der Inneren gearbeitet“, erzählt er vor der XVII. Strafkammer über seine erste Anstellungen an Krankenhäusern in Paderborn und Geseke. Später leitete er als Arzt auch jahrelang die Drogenambulanz in Frankfurt am Main, sattelte später um auf Arbeitsmediziner, fand auch da eine Anstellung im Stuttgarter Raum beim TÜV.
Unterbrochen wird seine fürsorgliche Tätigkeit allerdings immer wieder von Verurteilungen. Irgendwann flog auf, dass er bei seinen Arbeitgebern eine Approbationsurkunde einreichte, die er gefälscht hatte. Anfangs ging die Justiz milde mit ihm um. Aber zuletzt bekam er zwei Jahre Haft in Frankfurt und ein halbes Jahr Gefängnis in Olpe. Die Gerichte gaben ihm zwar Bewährung, aber diese wurden wegen der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Essen widerrufen, so dass er diese zweieinhalb Jahre Haft zusätzlich zu seiner neuen Strafe absitzen muss.
Vor dem Gericht in Essen geht es um seine „Arbeit“ in Gladbeck: Als er im November 2010 aus der U-Haft entlassen wird, bewirbt er sich Anfang 2011 beim arbeitsmedizinischen Versorgungszentrum in Herne. Er bekommt den Job, wird als Betriebsarzt bei der Gladbecker Stadtverwaltung eingesetzt. Dort nimmt er Mitarbeitern Blut ab, impft sie. Alles ohne Probleme. Nur eine Mitarbeiterin wundert sich, weil Franz-Josef H. im Intranet der Stadt als wahre Koryphäe angepriesen wird. „Ich habe ihn dann gegoogelt und nichts über ihn gefunden“, erzählt sie, „das kam mir bei einer Koryphäe seltsam vor“.
Also kein Staatsexamen, gar kein Abschluss des medizinischen Studiums? „Stimmt“
Dass er keine richtige Approbation, also die Zulassung als Arzt, bekommen hat, erklärt Franz-Josef H. mit formalen Schwierigkeiten. Diese Geschichte hat er vor Gericht immer vorgetragen: „Ich habe in Freiburg Medizin studiert und das erste und zweite Staatsexamen bestanden. Damals gab es aber noch eine Art drittes Staatsexamen, und das habe ich versäumt.“ Richterin Gabriele Jürgensen lässt ihn das erzählen und zieht ein Schreiben der Freiburger Universität aus den Akten. Dort hatte die Kammer nämlich nachgefragt und eine für den Angeklagten ernüchternde Antwort erhalten: Franz-Josef H. habe sechs Semester Medizin studiert und wurde danach nicht mehr gesehen.
Also kein Staatsexamen, gar kein Abschluss des medizinischen Studiums? „Stimmt“, räumt der Angeklagte kleinlaut ein. Staatsanwältin Angelika Matthiesen sieht im Vorgehen des falschen Mediziners ein „erhebliches Maß an krimineller Energie“ und fordert vier Jahre Haft. Verteidiger Frank Weiß bittet um Milde. Mit dreieinhalb Jahren zeigt die Kammer sich ein wenig gnädig. Schließlich sei der falsche Arzt bei seiner Arbeit nicht unsachgemäß vorgegangen: „Es ist ja niemand zu Schaden gekommen.“