Gladbeck. Bundesweit gingen die Hertie-Beschäftigten am Dienstag auf die Straße, um für den Erhalt der Kaufhäuser und ihrer Arbeitsplätze zu demonstrieren. Vielen stand die Angst um ihren Job ins Gesicht geschrieben. Unterstützung bekamen sie von hunderten Kunden - wie auch in Gladbeck.
Fünf nach zwölf ist es für den Warenhaus-Konzert Hertie - um fünf nach zwölf fand deshalb eine Aktion vor dem Gladbecker Rathaus statt, wie es sie in den Jahrzehnten dieser Kaufhaus-Geschichte noch nicht gegeben hat. So gut wie leergefegt war das Warenhaus ab 12 Uhr, nur eine Notbesetzung blieb drinnen, um zumindest die Kassen offen zu halten.
Mit bedrückten Mienen und Angst in den Gesichtern demonstrierten die anderen Beschäftigten für den Erhalt des Kaufhauses und für ihre Arbeitsplätze. Rund 200 Bürger waren ebenfalls gekommen, darunter Mitglieder der Gewerkschaften Verdi und IG Metall, alle Dezernenten der Stadtverwaltung und der Bürgermeister.
Bürgermeister sagt Unterstützung zu
Bürgermeister Ulrich Roland sagte den Hertie-Beschäftigten die volle Unterstützung der Stadt zu im Kampf um den Weiterbetrieb zu und äußerte leise Hoffnung, dass ein Gespräch am runden Tisch mit der Deutschen Bank, den Investoren und den Immobilieneigentümern Dawnay Day die bereits beschlossene Insolvenz abwenden könnte.
Auch der Betriebsratsvorsitzende Volker Launer sieht in dem geplanten Gespräch eine Chance. "Es ist etwas in Bewegung gekommen", sagte er und wies nochmals auf die absurde Situation hin, die die extrem überhöhten Mieten, aber auch die irrwitzig kurzen Mietverträge von drei bis sechs Monaten, die Dawnay Day den neuen Investoren angeboten hatte, verursacht hätten. Seine Worte richtete Launer vor allem aber auch an die Gladbecker und die Kunden des Hertie-Hauses. "Ohne Sie wären wir schon längst verloren. Bleiben Sie uns treu."
Gleichwohl verhehlte der Betriebsratsvorsitzende nicht, dass die Vorbereitungen für die von der Gläubigerversammlung beschlossene Schließung schon im Gange sind. Die Regale im Haus leeren sich, Nachschub bleibt aus.
"Dabei steht unsere Filiale gut da", betonte auch Filailleiter Leonhard Held, der mit seinen Mitarbeitern gemeinsam vor dem Rathausportal stand.
Angst vor der Zukunft
Den Beschäftigten selbst, viele von ihnen seit Jahrzehnten erst bei Karstadt, später bei Hertie beschäftigt, steht die Angst ins Gesicht geschrieben. "Ich habe solche Angst um meine Zukunft und die meiner Kinder", sagt Esma Kahraman (41) leise. Die allein erziehende Mutter zwei Töchter arbeitet seit 1986 im Gladbecker Haus. "ich gehe gern hier arbeiten, es macht mir Spaß." Was werdebn soll, wenn Hertie nicht mehr ist? Esma Kahraman weiß es so wenig ist Hermann Löll (56), der sein ganzes Berufsleben seit 1974 hier verbracht hat. Die Tochter ist noch in der Ausbildung, sagt der Gladbecker. Dass er in seinem Alter kaum eine neue Arbeit finden wird, für die Rente aber noch zu jung ist - das ist das Schicksal vieler Hertie-Beschäftiger, die zwar schon älter, aber noch nicht alt genug sind für den Ruhestand.
Gertrud Buretzek (59) hat diese Kurve gerade noch gekriegt. Sie hörte, nach 39 Jahren, schon im letzten Jahr auf. Noch ein paar Monate, dann kann sie die Rente beantragen. Mit 18 Prozent Abschlägen allerdings. Jetzt steht sie mit den ehemaligen Kollegen und Kolleginnen vor dem Rathaus und sammelt Unterschriften für den Erhalt von Hertie. Dass es Hertie nicht mehr geben soll, "das tut weh", sagt sie mit Tränen in den Augen. "Das ist doch unser Kind".