Gladbeck. Immer längere Sitzungen politischer Gremien machen ehrenamtliche Politik unattraktiv. So wollen Politik und Verwaltung in Gladbeck gegensteuern.
Negativer Höhepunkt war die Sitzung des Planungsausschusses im Mai. 41 Punkte standen damals auf der Tagesordnung. Die Beratung hätte sich bis spät in die Abendstunden gezogen. Für die CDU war das zu viel. In einem Brief an Bürgermeisterin Bettina Weist setzte sie einen „Hilferuf“ ab, bat darum, „ein immer wiederkehrendes Problem der Ausschusssitzungen zu thematisieren: die unzumutbare Länge der Sitzungen“.
Die CDU steht mit dieser Sicht nicht allein da. Auf ihren Parteitag am Sonntag befasste sich auch die Gladbecker SPD mit dem Thema. Die Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen (AsF) hatte einen Antrag gestellt. Sie will erreichen, dass die Sitzungszeit der kommunalpolitischen Gremien in der Stadt begrenzt wird, in der Einladung neben der festen Anfangs- auch eine klare Endzeit genannt wird. Ziel des Antrags ist es, mehr Familienfreundlichkeit in der Kommunalpolitik zu erreichen, nicht, das machte die AsF-Vorsitzende Kira Bennarend deutlich, das Rederecht einzuschränken.
CDU-Gladbeck spricht von „Zumutung“ für alle Sitzungsteilnehmer
„Politik – und auch die Kommunalpolitik – geht mit der Zeit der ehrenamtlichen Politiker:innen sehr verschwenderisch um“, heißt es dann auch in dem Antrag der AsF. Es brauche verbindliche Zeiten, damit auch Menschen, die sich im Privaten um Kinder oder pflegebedürftige Angehörige kümmern oder anderweitige Verpflichtungen haben, die Chance haben, sich politisch zu engagieren. Dabei will die SPD mit gutem Beispiel vorangehen, nimmt nicht nur die politischen Gremien der Stadt in den Blick, sondern setzt diese Forderung auch für ihre Parteigremien um.
In ihrem Brief sprach die CDU angesichts von Sitzungszeiten von mehr als vier oder fünf Stunden von einer „Zumutung für alle Sitzungsteilnehmer“. Darüber hinaus seien derart lange Sitzungen auch für den politischen Diskurs und die Entscheidungsfindung sehr ineffektiv. „Niemand kann konzentriert über vier oder fünf Stunden zuhören und beraten.“ Gleichzeitig trage die derzeitige Praxis dazu bei, dass es zunehmend schwerer werde, „neue und junge Bewerberinnen und Bewerber für ein Ratsmandat zu gewinnen“.
Kritiker fürchten, dass der Meinungsaustausch zu kurz kommen könnte
Das Problem ist also parteiübergreifend erkannt, unumstritten ist der Antrag, Sitzungszeiten klar zu begrenzen, bei den Genossen nicht. Das zeigt sich in der Beratung. Einige Delegierte, darunter auch Fraktionschef Wolfgang Wedekind, haben Bedenken, dass wichtige Aspekte in der Beratung zu kurz kommen. „Der Meinungsaustausch ist auch ein Wert der Demokratie, den von vornherein zu beschränken, halte ich nicht für sinnvoll.“ Am Ende einigte man sich, den Antrag zu ergänzen, aus einer starren Vorschrift wurde nun eine Soll-Bestimmung, daraufhin stimmte die Mehrheit der Delegierten zu.
Vorsitzender Dustin Tix kündigte an, es in den Sitzungen des Stadtverbandsvorstands auszuprobieren. Das geht jedoch nur in den internen Sitzungen der SPD. Über die Gremiensitzungen der Kommunalpolitik kann der Parteitag nicht beschließen, stattdessen wurde der Antrag dazu an die Fraktion zur weiteren Beratung überwiesen. Es gehe darum, es zunächst einmal als Thema zu setzen, weil es immer wieder zu Diskussionen darüber komme, sagt Kira Bennarend.
Sitzungen des Gladbecker Planungsausschusses teils bis 22 Uhr abends
Dass nun auch die SPD das Thema aufgreift, nimmt der CDU-Fraktionsvorsitzende Dieter Rymann durchaus mit Verwunderung zu Kenntnis. Denn nach dem Schreiben seiner Fraktion habe sich nicht viel verändert, obwohl das Thema – nicht zum ersten Mal übrigens – auch im Ältestenrat besprochen worden sei. Im Gespräch mit der Lokalredaktion zeigt sich Rymann aber offen für den Vorstoß SPD, zeigt Bereitschaft, gemeinsam Lösungen zu finden, die teils ausufernden Sitzungen zu begrenzen. So tagt etwa der Planungsausschuss, der auch die Themen Umwelt- und Klimaschutz bearbeitet, teilweise von 16 bis 21.30 oder sogar 22 Uhr.
Mit im Boot ist da auch die Stadtverwaltung. Das sagte Bürgermeisterin Bettina Weist im Gespräch am Rande des SPD-Parteitags. Auch dort gebe es Überlegungen, wie Sitzungen kürzer und effektiver ablaufen könnten. So sei geplant, Vorlagen ausführlicher zu verfassen und auf diese Weise vielleicht auf Powerpoint-Präsentationen und lange Vorträge seitens der Verwaltung verzichten zu können. Denkbar sei, solche Präsentationen vorzuhalten, sie aber nur noch vorzutragen, wenn es seitens der Ausschussmitglieder gewünscht sei. Auch bei Vorträgen von Gästen sei man bemüht, die Redezeit auf zehn Minuten zu begrenzen.
Gladbecks Bürgermeisterin sieht auch die Kommunalpolitik selbst in der Pflicht
Damit käme die Verwaltung durchaus auch der CDU entgegen, die bemängelt hatte, dass Vorträge „von 30 oder mehr Minuten mit 20 oder mehr Folien dienen nicht der notwendigen Transparenz sondern ,erschlagen’ die Mitglieder der Ausschüsse“.
Gleichzeitig macht die Bürgermeisterin aber auch klar, dass Verwaltung auch von Politik abhängig sei. Die Tagesordnung macht der Ausschussvorsitzende. Tix, selbst Schulausschussvorsitzender, sieht sich und seine Kollegen da im Vorfeld durchaus in der Pflicht.
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Die Bürgermeisterin verweist auch auf die Anträge aus der Politik. Gemeint sind hier vor allem Anträge nach Paragraf sieben der Geschäftsordnung. Die müssen auf die Tagesordnung genommen, seitens der Verwaltung ausführlich beantwortet und im Ausschuss bearbeitet werden. Dagegen gibt es auch Anträge nach Paragraf 13. Die beantwortet die Verwaltung schriftlich, die Antwort geht an den Antragssteller. Womöglich ließe sich manches auch auf diese Weise bearbeiten, wirbt die Chefin der Verwaltung um Augenmaß und Selbstdisziplin bei allen Beteiligten.