Recklinghausen / Gladbeck. Der Kreistag zieht Konsequenzen aus dem Urteil des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen. Um die Stellenausschreibung gibt’s aber schon wieder Ärger.
Der Recklinghäuser Kreistag hat jetzt die Wahl von Dominik Schad (40) zum neuen Kreisdirektor aufgehoben. Die Politik zog damit die Konsequenzen aus einem Urteil des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen vom 28. Juni. Das Gericht hatte dem Kreis untersagt, die Stelle zu besetzen; mit der Begründung, dass das Auswahlverfahren den Grundsatz der Chancengleichheit verletzt habe und der Kreis die Beurteilung der Eignung der Bewerber in unzulässigem Maß aus der Hand gegeben habe.
Geklagt hatte der bisherige Kreisdirektor Roland Butz (61), der sich ebenfalls beworben hatte, aber bei der geheimen Wahl am 6. März im Kreistagdeutlich unterlegen war. Seine Amtszeit endete am 30. Juni.
Der Kreis hätte am Oberverwaltungsgericht Münster (OVG) Beschwerde gegen das Urteil einlegen können, verzichtete allerdings darauf, weil das Verfahren sich dann über einen unkalkulierbaren Zeitraum hätte hinziehenkönnen. Stattdessen soll die Kreisdirektor-Stelle „schnellstmöglich“ neuausgeschrieben werden. Ziel ist es, so Landrat Bodo Klimpel (CDU), die Wahl „unter Einhaltung aller Fristen und formellen Voraussetzungen“ am 12. September im Kreistag stattfinden zu lassen.
Kreis verzichtet auf eine Personalagentur
Dass sich Dominik Schad – er ist in Personalunion Leiter der Kämmerei derKreisverwaltung und Chef des Jobcenters – erneut dem Auswahlverfahrenstellen wird, gilt als sicher. Auch Roland Butz, der 16 Jahre lang das Amt ausfüllte, könnte sich wieder bewerben. Die Stelle ist nach B5 besoldet (9732,99 Euro monatlich). Zusätzlich gibt es noch eine Aufwandsentschädigung.
Auf die Unterstützung einer Personalagentur wird der Kreis diesmal verzichten. Das bisherige Auswahlverfahren zur Kreisdirektor-Wahl hatte einexterner Dienstleister betreut. Der Schuss ging nach hinten los. Das Verwaltungsgericht deckte nicht korrigierbare Verfahrensfehler auf.
Kritiklos und weitgehend wortlos
In der Sondersitzung des Kreistages erläuterte Landrat Bodo Klimpel am Montag Hintergründe und Konsequenzen der missratenen Kreisdirektor- Wahl. Die Fraktionen nahmen das kritiklos und weitgehend wortlos zur Lediglich die AfD, die bereits vor Wochen einen Abbruch des Bewerbungsverfahrens gefordert hatte, brachte mehrere Anträge zur Sache in die Sitzung ein, forderte unter anderem eine „Fehleranalyse“. Grünen-Fraktionschef Dr. Bert Wagener stellte die Frage, ob der Personalagentur wegen der „Schlechtleistung“ das Honorar gekürzt werde. Das beantwortete der Landrat mit den Worten, dass lediglich ein Teilbetrag (9000 von rund 20.000 Euro) an den Dienstleister gezahlt worden sei.
Kreis lässt Stellenausschreibung prüfen
Um das Verfahren diesmal rechtssicher über die Bühne zu bringen, hat der Kreis die Stellenausschreibung von einem Anwalt und ehemaligen Verwaltungsrichter (Stundenlohn: 300 Euro) prüfen lassen. Die Änderungen, die sich daraus ergaben, wurden den Kreistagsmitgliedern am Montag per Tischvorlage präsentiert. Diese Kurzfristigkeit sorgte bei den Grünen für Unmut. Sie lehnten die Stellenausschreibung in der überarbeiteten Form deshalb ebenso ab wie die AfD.
Die Mehrheit des Kreistages gab allerdings grünes Licht für die Ausschreibung und wies auch die Forderung der AfD zurück, die Stelle des Kreisdirektors erst zum 1. Januar 2024 neu zu besetzen. Der stellvertretende AfD-Fraktionsvorsitzende Tobias Köller („Gründlichkeit sollte vor Schnelligkeit gehen“) sieht bereits erneut Verfahrensfehler, die seiner Meinung dazu führen, „dass auch die aktuelle Neubesetzung vor Gericht keinen Bestand haben wird“.
AfD geht davon aus, dass das Verfahren erneut fehlerhaft ist
Was war passiert? Die AfD hatte im Zusammenhang mit dem Tagesordnungspunkt „Neuausschreibung der Kreisdirektor-Stelle“ kurzfristig fünf Anträge in den Kreistag eingebracht. In einem wird gefordert, „dass die Stelle des Kreisdirektors unter der Maßgabe der Bestenauslese neu ausgeschrieben wird“. Niemand würde dem widersprechen können, ohne mit dem Recht in Konflikt zu geraten. Denn die Bestenauslese ist gesetzlich vorgeschrieben. In Artikel 33 des Grundgesetzes heißt es in Absatz 2: „Jeder Deutsche hat nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amte.“
AfD besteht auf eine Abstimmung
Landrat Bodo Klimpel (CDU) wies im Kreistag darauf hin, dass das Bestenausleseprinzip in dem gesamten Auswahlverfahren aus eben diesen gesetzlichen Gründen zwingend zu beachten sei und es dafür keines Kreistagsbeschlusses bedürfe. Das sah auch die Mehrheit des Kreistages so. Trotzdembestand die AfD auf eine Abstimmung.
Während CDU, Grüne und FDP sich der Stimme enthielten oder gar nichterst an der Abstimmung teilnahmen, lehnte die SPD – und daraus resultierte eine Mehrheit – den Antrag ab. Die AfD zieht nun den Schluss, „dass die Mehrheit des Kreistages KEINE Bestenauslese will“ – und damit gegen Recht verstoße. . Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Tobias Köller meinte im Gespräch mit der Redaktion, dass der Landrat deshalb den Beschluss beanstanden und die Kreistagssitzung wiederholen lassen müsse.
Landrat sieht keinen Grund für eine Aufhebung des Beschlusses
Das allerdings hält Bodo Klimpel nicht für erforderlich. Nach rechtlicher Beratung sieht er sich in seiner Auffassung bestätigt. Demnach sei es eine rechtmäßige Entscheidung des Kreistages, einen überflüssigen und rechtlich bedeutungslosen Antrag abzulehnen. Der Mehrheitsbeschluss, so das Fazit der Juristen, sei nicht rechtswidrig und somit auch nicht zu beanstanden.