Kreis Recklinghausen/Gladbeck. Die Corona-Todesrat im Kreis RE ist höher als anderswo. Das zeigt der Vergleich mit anderen Kreisen und Städten: Woran liegt das? Eine Analyse.

Im Kreis Recklinghausen sterben deutlich mehr Menschen im Zusammenhang mit einer Corona-Infektion als in anderen Regionen. Das hatte diese Redaktion bereits Anfang August 2022 mit statistischen Daten dokumentiert. Seitdem sind im Kreis weitere 193 Todesfälle registriert worden. Die Zahl der Verstorbenen stieg um 13,5 Prozent auf 1618 (Stand 14. Dezember) – und damit deutlicher als etwa in den Nachbarkreisen Coesfeld (+6,1 Prozent) oder Borken (+10 Prozent). Auch der Landesdurchschnitt (11,3 Prozent) liegt unter dem Wert des Kreises RE.

Die 1625 Todesfälle seit Beginn der Pandemie entsprechen auf die Einwohnerzahl des Kreises Recklinghausen bezogen einem Anteil von 2,63 Promille. In Gladbeck sind 224 Menschen an oder mit dem Coronavirus gestorben. Nur in der Stadt Recklinghausen gab es seit Beginn der Pandemie noch mehr Todesfälle (365). Die Quote liegt deutlich über dem Durchschnitt des Landes Nordrhein-Westfalen (1,63 Promille) und übertrifft auch das Niveau anderer Städte und Kreise in NRW. Oder ein anderer Vergleich: 3,43 Prozent der NRW-Bevölkerung leben im Kreis RE, der Anteil der Corona-Toten liegt bei 5,5 Prozent.

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Fast zwei Drittel aller Todesfälle sind in der Altersgruppe der über-80-Jährigen zu beklagen

Tim Deffte, Sprecher der Kreisverwaltung, gibt auf diese Frage den Hinweis auf die demografische Situation. Fast zwei Drittel aller Todesfälle sind in der Altersgruppe der über 80-Jährigen zu beklagen. Der Anteil dieser hochbetagten Menschen an der Gesamtbevölkerung liegt im Kreis Recklinghausen mit 7,4 Prozent über dem Landesdurchschnitt (7,0 Prozent), so die Angaben des statistischen Landesamtes IT.NRW. Auch die Altersgruppe 60 plus ist im Kreis Recklinghausen mit 30,7 Prozent überrepräsentiert (NRW: 28 Prozent).

Doch reicht diese Erkenntnis, um die großen Differenzen bei den Todesraten zu erklären? Häufig wird im Zusammenhang mit Corona-Erkrankungen die Sozialstruktur angeführt. Bildung und Gesundheit werden dabei in einen Zusammenhang gestellt. Tatsache ist, dass die sozialen Indikatoren wie Hartz IV- und Arbeitslosenquoten, Ausländeranteil oder die Höhe des verfügbaren Einkommens im Kreis Recklinghausen schlechter ausfallen als zum Beispiel in den Nachbarkreisen Borken und Coesfeld.

Das Risiko einer Corona-Infektion ist im Kreis nicht größer als im Münsterland

Das Risiko, sich mit Corona zu infizieren, das haben die zurückliegenden Jahre gezeigt, ist im Kreis Recklinghausen nicht größer als im Münsterland. Die Inzidenzwerte des ländlichen Raumes liegen teil- und phasenweise über denen des nördlichen Ruhrgebiets. Trotzdem ist die Todesrate im Verhältnis zur Bevölkerung im Münsterland deutlich niedriger. Im Kreis Coesfeld beträgt sie nur 0,69 Promille, im Kreis Borken 1,38 Promille (Kreis RE: 2,63 Promille).

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Die These, dass im Ruhrgebiet das Sterblichkeitsrisiko im Zusammenhang mit einer Covid-19-Erkrankung grundsätzlich höher ist, wird allerdings durch Dortmund widerlegt. Dort beträgt die Todesrate ebenfalls nur unterdurchschnittliche 1,09 Promille. In der Hochschulstadt Dortmund sei die Bevölkerung aber auch insgesamt jünger, gibt Tim Deffte zu bedenken.

Das erste Corona-Todesopfer wurde im Kreis Recklinghausen am 29. März 2020 gemeldet

Das erste Todesopfer in Verbindung mit dem Coronavirus wurde im Kreis Recklinghausen am 29. März 2020 gemeldet. Ein Jahr später war die Zahl der Verstorbenen bereits auf 700 angestiegen, ein weiteres Jahr später (März 2022) auf rund 1200. Ob sich die Todesfall-Entwicklung im Jahresvergleich weiter verlangsamt, wird man im März 2023 beurteilen können. Die aktuelle Entwicklung deutet auf das Gegenteil hin.