Gladbeck. Im Sozialausschuss wurde deutlich, welche Belastung für Angehörige Pflegebedürftiger besteht. Freie Kurzzeitpflegeplätze gibt’s in Gladbeck kaum.
Das Problem der Möglichkeiten zur Kurzzeitpflegein Gladbeck treibe ihn um, teilte Ratsherr Michael Dahmen im Sozialausschuss seine Gefühlslage mit. Die CDU-Fraktion hatte das Thema auf die Tagesordnung gebracht, „um die nicht haltbare Situation zu besprechen“, so Ratsherr Dahmen. Es müsse der Gesamtgesellschaft daran gelegen sein, Angehörige von Pflegebedürftigen in Notlagen über ausreichend verfügbare Kurzzeitpflegeplätze zu entlasten. Die Auskünfte der zum Thema geladenen Fachleute trugen nicht dazu bei, die bedrückte Stimmung im Ratssaal zu verbessern.
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Eigentlich klingen die über das Sozialgesetzbuch IX geschaffenen Möglichkeiten nach einem Quantensprung, da mit Paragraf 42 gesetzlich festgeschrieben wurde, dass alle pflegebedürftigen Menschen mit mindestens Pflegegrad 2 einen Anspruch auf bezuschusste Kurzzeitpflege haben, wenn die Pflege zuhause zeitweise nicht möglich ist. Wichtig auch für pflegende Angehörige, die etwa durch die anspruchsvolle stetige Aufgabe mit ihren Kräften am Ende sind und dringend Urlaub brauchen.
Ernüchternder Selbstversuch bei der Suche nach freien Kurzzeitpflegeplätzen in Gladbeck
Dass hierzu Anspruch und Wirklichkeit ernüchternd sein können, hat die CDU-Fraktion im Selbstversuch festgestellt. Zwischen dem 17. und 23. Juni sei täglich über den „Heimfinder.NRW“ nach freien Kurzzeitpflege-Plätzen in Gladbeck gesucht worden, so die Mitteilung an den Ausschuss. Von den neun Einrichtungen in Gladbeck, die Kurzzeitpflege anbieten, habe es an drei Tagen lediglich einen freien Platz in einem Doppelzimmer im Marthaheim, an einem Tag einen Platz im Vinzenzheim und an drei Tagen keine freien Plätze gegeben. Und „Buchungen“ langfristig im Voraus, um als Pflegender etwa einen Entlastungsurlaub zu planen, seien in Gladbeck „gar nicht möglich“, so Michael Dahmen, weil die Senioreneinrichtungen befürchteten, nicht ausreichend kostendeckend arbeiten zu können.
Patrick Hundt, Fachbereichsleiter Soziales in der Kreisverwaltung Recklinghausen, bestätigte das Dilemma. Die Situation in Gladbeck sei „recht eingeschränkt“. Die neun Senioreneinrichtungen im Stadtgebiet listeten insgesamt zwar 79 Kurzzeitpflegeplätze auf, von denen seien aber 68 nur eingestreute Plätze. Eingestreut bedeutet, dass diese Plätze auch der Vollzeitbelegung des Heimes zur Verfügung stehen und so faktisch kaum für die Kurzzeitpflege frei gegeben werden. Elf solitäre Kurzzeitpflegeplätze, die also ausschließlich für diesen Zweck belegt werden, hält nur das Eduard-Michelis-Haus vor. „Für eine Stadt in der Größe von Gladbeck und den hohen Bedarf sind das zu wenig“, so Patrick Hundt.
Auch ambulante Pflegedienste könnten zur Entlastung beitragen
Die Betreiber ambulanter Pflegedienste könnten zur Entlastung beitragen, in Gladbeck gebe es dazu momentan leider keine Gespräche. Der Fachmann regte auch an, dass beim Neubau eines Seniorenpflegeheimes darauf geachtet werden sollte, dass explizit solitäre Kurzzeitpflegeplätze mitgeplant werden müssen. Bezogen auf die neue Einrichtung in Brauck meinte Hundt, „die dort geplanten fünf Plätze sind gut, aber es wäre besser, wenn es noch mehr würden“. Bis zu 30 Plätze zu etablieren wäre möglich. Wobei ihm die Fantasie fehle, so Hundts ehrliche Aussage, woher angesichts des leer gefegten Marktes dann ausreichendes Pflegepersonal kommen solle. Er informierte weiter, dass die Koordinierungsstelle Kurzzeitpflege des Kreises Recklinghausen suchende Angehörige unterstütze und versuche, kurzfristige Bedarfe zu decken. „Es kann aber sein, dass dann kreisweit nur ein Platz gefunden wird, der nicht unbedingt in der Heimatstadt des Pflegebedürftigen liegt.“
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Martin Runde, Geschäftsführer der Eduard Michelis gGmbH, nannte Gründe, die Betreiber von Senioreneinrichtungen davon abhalten könnten, solitäre Kurzzeitpflegeplätze auszuweisen, beziehungsweise Terminbuchungen zur Entlastung von Angehörigen lange im Voraus anzunehmen. „Um kostendeckend zu arbeiten, braucht man eine Auslastung von 90 Prozent.“ Werde dann eine Terminbuchung nicht eingehalten, „weil der Pflegebedürftige oder ein angehöriger plötzlich an Corona erkrankt ist“, bringe das den gesamten Belegungsplan und die Kostenkalkulation durcheinander.
Erschreckend: Pflegebedürftige werden nach Ablauf der Kurzzeitpflege nicht abgeholt
Um mehr Kurzzeitpflegeplätze sicherzustellen, müsste dringend die Finanzierungsmöglichkeit (Pflegesatz/Kalkulationsauslastung) neu aufgestellt werden. Auch die Krankenhäuser müssten verpflichtet werden, eine bestimmte Anzahl an Kurzzeitpflegeplätzen vorzuhalten. Geschehe nichts, „wird die Not bleiben, und sie wird größer“, so Runde. Der Geschäftsführer berichtete von Anfragen weinender, verzweifelter Angehöriger, die nahezu täglich das Team im Eduard-Michelis-Haus angesichts ausgelasteter Plätze bedrückten. Und von Fällen, „wo Pflegebedürftige nach Ablauf der Kurzzeitpflege einfach nicht abgeholt werden“, weil die Angehörigen noch keinen freien Pflegeplatz in einem Seniorenheim gefunden haben.