Gladbeck. Die Eingliederungshilfe für behinderte Menschen belasten den Etat auch in Gladbeck. Landrat befürchtet kommunale Steuererhöhung.

Aktuell stellt sich die Frage, wie lange es die verschuldeten Städte im Kreis Recklinghausen noch schaffen, ohne weitere Erhöhungen der Grund- und Gewerbesteuern finanziell über die Runden zu kommen? Denn neben zu erwartenden Zinssteigerungen droht auch dem Haushaltsetat in Gladbeck eine weitere finanzielle Belastung durch die Eingliederungshilfen für Menschen mit Behinderungen.

Der Kreis Recklinghausen schlägt Alarm. „Gegen diese Ausgabensteigerungen kommen wir kommunal nicht mehr an“, warnt Dr. André Jethon, Leiter des Fachbereichs Finanzen in der Kreisverwaltung. Die Eingliederungshilfe zielt darauf ab, behinderten Menschen ein selbstständiges Leben und Perspektiven am Arbeitsmarkt zu ermöglichen. Das Bundesteilhabegesetz (BTHG), das seit 2017 schrittweise umgesetzt wird, stellt hier hohe Anforderungen. Finanziert wird die Eingliederungshilfe zwar durch den Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL), aber letztlich sind es die Mitgliedskreise und -städte, die diese Last über die sogenannte Landschaftsumlagein ihrem Etat tragen – ohne irgendeinen Einfluss auf die Standards zu haben.

Die Kosten für Eingliederungshilfen haben sich seit 1981 vervierzehnfacht

Landrat Bodo Klimpel befürchtet, dass Städte wie Gladbeck im Kreis Recklinghausen gezwungen sind, Steuern zu erhöhen, um ihre Kostenbeteiligung an der Eingliederungshilfe stemmen zu können (Archivbild).
Landrat Bodo Klimpel befürchtet, dass Städte wie Gladbeck im Kreis Recklinghausen gezwungen sind, Steuern zu erhöhen, um ihre Kostenbeteiligung an der Eingliederungshilfe stemmen zu können (Archivbild). © FUNKE Foto Services | Oliver Mengedoht

Spätestens im Jahr 2023, kündigt Jethon an, wird diese Umlage im Haushalt des Kreises Recklinghausen die Schallmauer von 200 Millionen Euro durchbrochen haben. Diese Summe ist ein Mehrfaches dessen, was der Kreis und seine Städte etwa für die Kosten der Unterkunft für Hartz-IV-Empfänger aufbringen müssen (ca. 45 Millionen Euro). Bei der Eingliederungshilfe steigen die Fallzahlen und die Kosten je Einzelfall seit Jahren kontinuierlich an – und zwar bundesweit. Seit 1981 haben sich die Kosten mehr als vervierzehnfacht und erreichten – mit jährlichen Steigerungsraten von fünf bis sieben Prozent – Ende 2020 einen Betrag von mehr als 21 Milliarden Euro. Etwa ein Viertel davon entfällt auf Nordrhein-Westfalen und damit auf die Landschaftsverbände Rheinland und Westfalen-Lippe.

Der LWL in Münster geht bei der Eingliederungshilfe von Ausgabensteigerungen in Höhe von 100 Mio. Euro jährlich aus. Rund sieben Millionen Euro würden davon nach Berechnungen der Kreisverwaltung auf den Kreis Recklinghausen entfallen. Über seine Ausgleichsrücklage hat der Landschaftsverband die Belastungen für seine Mitgliedskommunen bislang noch abfedern können. Aber die Reserven sind mittlerweile so weit abgeschmolzen, dass nach Einschätzung des Kreises spätestens 2024 alle Defizite an die Kreise und kreisfreien Städte durchgereicht werden müssen. Und über die Kreisumlage, mit der die Kommunen die Arbeit des Kreises zu einem großen Teil mitfinanzieren, wird es in absehbarer Zeit auch die Städte im Vest treffen. Bislang hat der Kreis seine Städte entlasten können, indem er selbst tief in seine Rücklagen griff. „Doch das wird mittelfristig nicht mehr möglich sein“, stellt André Jethon fest.

In anderen Bundesländern trägt der Landeshaushalt die Eingliederungshilfe

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Was bedeutet das für die vestischen Städte, teils hoch verschuldet wie Gladbeck, die ihre Haushalte ja gerade erst mit Hilfe des NRW-Stärkungspaktes Stadtfinanzen halbwegs konsolidiert haben, die aber immer noch auf einem Schuldenberg von 1,4 Milliarden Euro allein bei den Kassenkrediten sitzen? „Da kommt eine finanzielle Katastrophe auf uns zu“, urteilt die Vorsitzende der Kreistagsfraktion der Linkspartei im Recklinghäuser Kreistag, Martina Ruhardt. Und Landrat Bodo Klimpel (CDU) meint: „Da es nichts mehr einzusparen gibt, werden die Städte die Steuern erhöhen müssen.“

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Ohne staatliche Unterstützung, heißt es in einem Bericht der Kreisverwaltung, werden in absehbarer Zeit als erstes die ohnehin belasteten Kommunen im Ruhrgebiet diese Ausgaben nicht mehr finanzieren können. In anderen Regionen Deutschlands stellt sich diese Problematik nicht. Im Saarland und in Sachsen-Anhalt zum Beispiel wird die Eingliederungshilfe vollständig aus den Landeshaushalten finanziert, in anderen Flächenländern zumindest teilweise.