Gladbeck. Mitglieder des Gladbecker Jugendrats werden in die Ausschüsse des Stadtrates entsandt. Sie können bei politischen Entscheidungen mitreden.

In jeder letzten Dezembersitzung des Jahres wird es im Gladbecker Jugendrat spannend. Dann wählen die rund 70 Kinder und Jugendlichen aus ihren Reihen Bewerber, die in die politischen Ausschüsse des Stadtrates entsandt werden. Dakota Zenge (15), Mats Landwehr (14) und Diego Witjes (15) hatten dabei Erfolg. Sie berichten der WAZ von ihren Idealen als Ansporn und auch von Schock-Momenten beim ersten Kontakt mit der Realpolitik.

Das Trio empfängt den Reporter im Hauptquartier des Jugendrates, im Jugendcafé „3Eck“ neben der Stadtbibliothek an der Friedrich-Ebert-Straße 10. Mit dabei ist auch die Geschäftsführerin des Jugendrats, die Kinder- und Jugendbeauftragte der Stadt, Sarah Kimmeskamp. Sie erzählt, dass der Jugendrat jeden Ausschuss mit einer Vertreterin oder einem Vertreter besetzen kann, „um sich mit Wortmeldungen an der politischen Diskussion zu beteiligen“, ein Stimmrecht hätten die jungen Abgeordneten aber nicht.

Einige Ausschüsse sind beim politischen Nachwuchs begehrter als andere

Konstituierenden Sitzung des Gladbecker Jugendrates im Ratssaal 2018.
Konstituierenden Sitzung des Gladbecker Jugendrates im Ratssaal 2018. © FUNKE Foto Services | Oliver Mengedoht

Einige Gremien seien begehrter als andere, berichtet der politische Nachwuchs. Klaro, diejenigen, wo es ganz eng um die Interessen junger Gladbecker geht, „wie der Jugendhilfeausschuss“, sagt Dakota. Bei ihrer Bewerbung habe ihr sicherlich geholfen, dass sie seit 2018 aktiv ist, quasi schon „ein alter Hase“ im Jugendrat, und somit vielen Mitgliedern bekannter sei als ein Neueinsteiger. Am begehrtesten sei aber wohl der Schulausschuss, „denn viel Jugendliche wollen wissen, was an ihrer Schule geplant ist“.

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Den besetzt Mats; zudem auch den Kulturausschuss und den Ausschuss für Stadtplanung, Umwelt, Klimaschutz und Mobilität. Er habe sich schon früh für Politik interessiert, zunächst aber nicht die Möglichkeit der politischen Beteiligung gekannt. Bis ihn sein Vater (Konrektor Werner-von-Siemens-Realschule) auf den Jugendrat aufmerksam gemacht habe. Er selbst sei in keiner Parteiorganisation, so der 14-Jährige, „wenn ich mich positionieren soll, bin ich aber wohl am nächsten an Grünen und Linken dran“. Ihm seien Themen wie der Klimaschutz und ein friedliches Miteinander, gegen Krieg und Rassismus, wichtig.

Werbung für eine Partei darf im neutralen Jugendrat nicht gemacht werden

Klimaschutz ist auch für Gladbecker Kinder und Jugendliche ein wichtiges Thema. Der Jugendrat der Stadt Gladbeck stellte 2019 das neue städtische Klimalogo vor, das seitdem alle Gladbecker Klimaschutzmaßnahmen kennzeichnet.
Klimaschutz ist auch für Gladbecker Kinder und Jugendliche ein wichtiges Thema. Der Jugendrat der Stadt Gladbeck stellte 2019 das neue städtische Klimalogo vor, das seitdem alle Gladbecker Klimaschutzmaßnahmen kennzeichnet. © FUNKE Foto Services | Oliver Mengedoht

„Man muss dazu sagen“, ergänzt Dakota, „dass der Jugendrat unparteiisch ist und versucht, in diesem Sinne neutral zu bleiben“. Es sei aber okay, wenn jemand mit einer Partei sympathisiere oder sogar Mitglied ist, „nur Werbung darf dafür im Jugendrat nicht gemacht werden“. Bereits seit Kindertagen sei sie im sozialen Bereich engagiert. Das Vorbild von Mutter (Integrationshelferin) und älterer Schwester (arbeitet in einer Intensivwohngruppe der Jugendhilfe) habe da wohl abgefärbt. Sie sei so auch auf sozial benachteiligte Menschen aufmerksam geworden, „und ich wollte wissen, was hinter den politischen Kulissen abläuft, wie man diesen Mitmenschen helfen kann“.

Jedes Jahr wird der Jugendrat gewählt

Den Gladbecker Jugendrat gibt es seit 2006. Die Wahlen zum Jugendrat finden einmal im Jahr an den weiterführenden Schulen und den Jugendeinrichtungen statt. Im Grunde kann sich jeder Gladbecker im Alter zwischen 10 und 21 Jahren wählen lassen. Weitere Informationen über den Jugendrat gibt es auf der Internetseite des Jugendrates (www.jugendrat-gladbeck.de).

Der Jugendrat tagt viermal im Jahr im Ratssaal unter Vorsitz der Bürgermeisterin. Die Mitglieder beraten über Themen, die sie zuvor in Arbeitsgruppen entwickelt haben. Sie bringen die Ergebnisse der Jugendratsitzungen dann in die Ausschüssen und den Rat der Stadt Gladbeck ein. Geschäftsführerin ist die Kinder und Jugendbeauftragte der Stadt, Sarah Kimmeskamp 99 25 38.

Soziales Engagement hat auch Diego in den Jugendrat gebracht. Im Kinder- und Jugendhaus Maxus habe er neben den Pfadfindern viel Freizeit verbracht, sei nun seit dem vergangenen September selbst Teil des Teams „als ehrenamtlicher Junghelfer“. Als Vertreter der Jugendeinrichtung sei er dann in den Jugendrat entsandt worden. „Und jetzt dessen Vertreter im Integrationsrat, da auch viele Kinder mit Migrationshintergrund das Maxus besuchen.“ Das Gremium habe er aber erst wenig besucht, „da ich zurzeit meinen Roller-Führerschein in der Fahrschule mache“.

„Schockiert“, als die ersten Ausschussunterlagen per Post eintrafen

Die drei „Jugendratler“ berichten auch von einiger Überraschung in Sachen Polit-Realität, als die ersten Ausschuss-Unterlagen mit der Post bei ihnen daheim eintrafen. „Ein dickes Paket, ich war total schockiert, wie viel das ist“, sagt Dakota. Bei vielen Tagesordnungspunkten erhielt auch Mats etliche Vorlagen-Seiten, „zusammengefasst wie ein dickes Buch“. Und Diego erzählt von anfänglicher Verwirrung, etwa eine Bestellung bei einem Versandhandel nicht mehr im Blick gehabt zu haben, weil der ihm zugestellte Umschlag „so dick und groß war“.

Alle räumen ein, dass es Überwindung koste, sich als Jugendlicher im Ausschuss zu Wort zu melden. Und oft sei es schwer, „alle Themen vor der Sitzung im Detail nachzulesen“. Es sei aber angebracht und man wäre es dem Jugendrat schuldig, „sich zumindest einen groben Überblick zu verschaffen“. Gleiches sollte für alle Ausschussmitglieder gelten. Es sei umso peinlicher, wenn man durch gestellte Fragen im Gremium, obgleich die Antwort in der Vorlage stehe, merke, „dass ein politischer Vertreter das wohl nicht gemacht hat“.