Gladbeck. Die erste Werkstatt-Kita in Gladbeck hat den Betrieb aufgenommen. Das Konzept in der neuen Kita Dietrich-Bonhoeffer setzt auf Eigeninitiative.

Die „Augenkiste“ lassen Max (4) und Kumpel Carl (5)* zunächst links liegen. Es muss ja erstmal weiter konstruiert werden, am hohen Turm, den beide aus Bauklötzen aufgeschichtet haben und der Max schon überragt. Das Bauwerk steht auf dem Arbeitsteppich im Konstruktionsraum der neuen Evangelischen Kita Dietrich-Bonhoeffer neben der Christuskirche. Die Einrichtung mit vier Gruppen hat kürzlich den Betrieb aufgenommen und ist die erste Kindertagesstätte in Gladbeck, die das Konzept der teiloffenen Werkstattpädagogik umsetzt.

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Während die beiden Gruppen der kleinen Kita-Kinder im Alter unter drei Jahren (U3) im Erdgeschoss noch im geschlossenen Rahmen ihre ersten Entwicklungsschritte machen, sieht es mit dem Pilotprojekt für die großen Ü3-Kinder ganz anders aus. Im Obergeschoss der Kindertagesstätte können sie im offenen Raumkonzept auf Entdeckungstour gehen. „Statt Gruppenräumen gibt es Werkstätten, in denen die Kinder ihre Spielideen umsetzen können“, erklärt die Leiterin der neuen Einrichtung, Friederike Abramczyk. „Eine Bewegungs-Baustelle, ein Mal-Atelier, eine Töpfer-, Knet- und Textilwerkstatt, ein Konstriktionsraum, ein MINT-Raum (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik), ein Holzwerkraum, ein Rollenspielbereich, ein Märchenraum, ein Schlaf - und Ruheraum sowie einen Raum für die Religionspädagogik (Godly-Play-Raum)“, zählt die Erzieherin auf.

Die Kinder haben eine kreative Idee und die Erzieherin unterstützt sie bei der Umsetzung

Erzieherin Anna Schüssler mit einem Kita-Kind in der MINT-Werkstatt, die naturwissenschaftliche Erkundungen ermöglicht.
Erzieherin Anna Schüssler mit einem Kita-Kind in der MINT-Werkstatt, die naturwissenschaftliche Erkundungen ermöglicht. © FUNKE Foto Services | Thomas Gödde

Normalerweise sei es in der allgemeinen Kindergartenpädagogik oft so, „dass die Erzieherin einen Impuls setzt“, etwa etwas aufzumalen und mit der Schere auszuschneiden, um die Feinmotorik des Kindes zu fördern. Im jetzt praktizierten Konzept, bei dem die Einrichtungsleiterin im Koordinierungsteam wesentliche Impulse setzte, sehe es anders aus: „Die Kinder haben eine Idee, und die Pädagogin überlegt mit dem Kind, wie sie umgesetzt werden kann“, so Abramczyk.

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Dass das auch ein spannender Prozess für die Erzieherinnen ist, berichtet Anna Schüssler. So habe ein Ü3-Kind zuerst einen Vulkan gemalt, aus dem rote Lava fließt und dann die Idee gehabt, einen heiß-spuckenden Feuerberg „selbst zu bauen“. Im Internet gab es glücklicherweise Informationen zu einem Do-it-Yourself-Vulkan ohne Verbrennungsrisiko. Mit Bastelmaterial, Backpulver, Essig, Wasser und Lebensmittelfarbe habe das Naturschauspiel eines ausbrechenden, rote „Lava“ speienden Vulkans zum Stolz des Nachwuchs-Konstrukteurs und zur Freude zuschauender Ü3-Kinder in der Kita-Werkstatt nachempfunden werden können.

Neben allen Freiheiten gibt es aber auch eine klare Tagesstruktur

Friederike Abramczyk ist die Leiterin der neuen Ev. Kindertagesstätte Dietrich-Bonhoeffer in Gladbeck. Sie hat das Konzept der ersten Offene-Werkstätten-Kita in Gladbeck maßgeblich entwickelt und setzt es nun mit ihrem Team an der Postallee 12 um.
Friederike Abramczyk ist die Leiterin der neuen Ev. Kindertagesstätte Dietrich-Bonhoeffer in Gladbeck. Sie hat das Konzept der ersten Offene-Werkstätten-Kita in Gladbeck maßgeblich entwickelt und setzt es nun mit ihrem Team an der Postallee 12 um. © Abramczyk | NN

Die neue Kita bietet mit Elementen der Waldorfpädagogik einerseits einen Laissez-Faire-Erziehungsstil, setzt aber auch auf klare Regeln einer Tagesstruktur. „Der Morgen beginnt zur festen Ankommenszeit mit einem Morgenkreis und anschließend gemeinsamen Frühstück“, so Friedrike Abramczyk. Die Mahlzeiten werden im „Kinderrestaurant“ eingenommen, Sprache, Rhythmus und Musik werden in gemeinsamen Sing- und Spielkreisen gefördert. Neben den Werkstätten-Zeiten im Obergeschoss geht es während gemeinsamer Spielzeiten mit den Kita-Kindern auch ins große Außengelände. Mutige können auf die Außentreppe verzichten und von der Balustrade im Obergeschoss über die Tunnelrutsche Richtung naturnah gestaltetem Spielbereich hinabflitzen (noch ist aber alles im Bau).

Tanja Krakau, Geschäftsführerin Evangelisch-Lutherische Kirchengemeinde Gladbeck, im Turnraum, der auch für Therapien im Rahmen der Inklusion genutzt werden kann.
Tanja Krakau, Geschäftsführerin Evangelisch-Lutherische Kirchengemeinde Gladbeck, im Turnraum, der auch für Therapien im Rahmen der Inklusion genutzt werden kann. © FUNKE Foto Services | Thomas Gödde

Die verschiedenen Gebäudeebenen lassen sich zudem mit dem Aufzug ansteuern. „Wir sind nicht nur integrativ, sondern voll inklusiv aufgestellt“, unterstreicht Abramczyk. Kinder mit Behinderung können im kitaeigenen Therapieraum unterstützt werden. „Förderung nach den Bedürfnissen aller Kinder ist zudem in der Turnhalle über verschiedene positionierbare Turngeräte möglich“, freut sich Tanja Krakau, Geschäftsführerin der Ev. Kirche in Gladbeck. Die neue Werkstatt-Kita in Gladbeck wird am 25. April mit Bürgermeisterin Weist offiziell eröffnet. Dann soll auch die Außenspielfläche fertig sein, inklusive Bobbycar-Rennstrecke, die Max und Kumpel Carl* dann sicher auch testen werden. (*Namen geändert). Sobald es die Coronalage zulässt, vermutlich im Sommer soll dann auch interessierten Gladbeckern bei einem Tag der Offenen Tür die Einrichtung vorgestellt werden. https://www.waz.de/staedte/gladbeck/corona-viele-kita-kinder-haben-grosse-startschwierigkeiten-id233946883.html