Gladbeck. Der Gladbecker Wissenschaftler Niklas Peuckman hat sich mit dem Thema Vergebung beschäftigt. Er zeigt Perspektiven für Ukrainer und Russen auf.
Der weltweite Tag der Vergebung vergangenen Sonntag hat Vikar Niklas Peuckmann in Gladbeck in besonderer Weise beschäftigt. Er hat einen Aufsatz für den aktuellen Gemeindebrief zum Thema Vergebung und Versöhnung geschrieben – da noch nicht ahnend, wie aktuell das Thema durch Putins Krieg und aktuelle Äußerungen des ukrainischen Präsidenten wird. Im Gespräch mit der WAZ versucht der Religionswissenschaftler Peuckmann Perspektiven aufzuzeigen, auf welchen Wegen Versöhnung zwischen Russen und Ukrainern nach dem Krieg möglich werden könnte.
Aktuell dauerten die Kampfhandlungen noch an, und auch ihm fehle derzeit die Vorstellungen, „wie der Krieg endet und in welcher Form die Ukraine dann fortbesteht“, so Peuckmann. Wie verhärtet die Fronten sind, hat der Präsident der Ukraine am Wochenende in einer Videobotschaft deutlich gemacht: „Heute ist der Sonntag der Vergebung. Aber wir werden nicht Hunderte und Aberhunderte von Opfern verzeihen“. Gott werde Russland nicht vergeben, so Wolodymyr Selenskyj. „Nicht heute. Nicht morgen. Niemals. Und statt Vergebung wird es einen Tag des Gerichts geben.“
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Am Ende des Krieges ist ein großer traumatischer Schmerz bei den Beteiligten da
Die Äußerungen und aktuellen Geschehnisse mit Bombardements von Städten und zivilen Häusern sowie hunderttausenden Geflüchteten seien eine schlimme Tatsache. „Am Ende des Krieges sind große Wunden da“, sagt Niklas Peuckmann. Es bleibe die Erinnerung an den Krieg, „an das Trauma und an die Nachbarn, die damit verbunden sind“. Und um da heraus zu kommen, brauche es Versöhnung. „Ein unglaublich großer Schritt einer schier unmöglichen Möglichkeit, da der Schmerz noch so präsent ist. Aber die Geschichte lehrt uns, dass es einige Möglichkeiten gegeben hat, um wieder zueinander zu kommen.“
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Der 32-Jährige hat das auch in seinem aktuellen Aufsatz angesprochen. Denn er hatte als Mitglied einer Delegation der theologischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum im Rahmen eines Forschungsaufenthaltes Gelegenheit, Ruanda zu besuchen. Dabei sei auch der Völkermord an der Minderheit der Tutsi Thema gewesen. „In einer beispiellosen Welle der Gewalt verloren innerhalb von 100 Tagen mehr als 800.000 Menschen ihr Leben“, so Peuckmann. Nicht vergleichbar mit dem Ukraine-Krieg, da in Ruanda die Gewalt nicht von der Armee ausging, sondern von der Bevölkerung getragen wurde und zuvor friedliche Nachbarn einander verfolgten. Ruanda hat diesen Völkermord mit einem staatlichen Programm der Versöhnung aufgearbeitet. Täter und Opfer konnten über verbindende Projekte neue Wege zur Gemeinschaft finden. „Und Gemeinschaft ist der Schlüssel zur Versöhnung und Versöhnung das Tor zur Gemeinschaft“, sagt Peuckmann.
Eine Rückschau ist nötig, um Vergebung anzustoßen
Der Prozess des aufeinander Zugehens sei wichtig. „Damit Versöhnung etwas Nachhaltiges mit sich bringt, müssen verschiedene Ebenen zueinander kommen.“ Es sei wichtig, dass elementare Dinge geklärt sind. Es gehe um die Wahrheitsfrage, „sich zwischen den beteiligten Parteien darauf zu verständigen, was im Krieg passiert ist“. Eine Rückschau ist nötig, um Vergebung anzustoßen. „Im Idealfall bittet der Täter um Vergebung und übernimmt Verantwortung“, so Peuckmann. Gerechtigkeit sollte geübt, Wiedergutmachung als Sühne geleistet werden. „Dann ergibt sich eine Perspektive, die auf die Zukunft und den gemeinsamen Frieden ausgerichtet ist, mit der Vision der Gestaltung einer gemeinsamen Zukunft.“
Wissenschaftler auf dem Weg zum Pfarrer
Dr. Niklas Peuckmann möchte Pfarrer werden und absolviert nun sein Vikariat, den praktischen Vorbereitungsdienst auf das Pfarramt nach Beendigung des Studiums, in Gladbeck.Der 32-Jährige hat über das Thema „Seelsorge in der Lebenswelt Bundeswehr“ an der Ruhr-Universität Bochum promoviert. Peuckmann ist seit 2021 in Gladbeck tätig. Er stammt aus dem Kreis Unna und ist in Kamen aufgewachsen.
Dies sei aber schwer möglich, wenn die Waffen schweigen, weil ein Land erobert ist. „Denn die Akteure müssen sich auf einer Art Augenhöhe begegnen können.“ Es sei aufgrund seiner aktuellen Rhetorik schwer vorstellbar, „dass der russische Präsident Wladimir Putin eine Kriegsschuld zugibt“. Trotz aller Ohnmacht bleibe immer die Hoffnung, dass es die Möglichkeit für Frieden und Gerechtigkeit gibt. „Wenn nicht Putin, dann müssen andere in Russland und der Ukraine den Prozess anstoßen“, sagt Peuckmann.
Die Äußerung von Bundeskanzler Scholz war wichtig
Hierbei seien Äußerungen wie die von Bundeskanzler Scholz wichtig, „dass es nicht der Krieg des russischen Volkes, sondern Putins Krieg ist“. Der Begriff des Brudervolkes, die auch engen familiären Verbindungen zwischen ukrainischen und russischen Familien, „stellen eine Verbundenheit dar, auf der Versöhnung aufgebaut werden kann“. Im Privaten oder über andere Organisationen, Vereine, Kirche. Es sei wichtig, diesen Annäherungsprozess zu initiieren. „Denn wenn keine Versöhnung stattfindet, entsteht die große Gefahr, dass alte Wunden nicht geschlossen werden und Konflikte wieder ausbrechen können.“