Gladbeck. Dem Gladbecker Schiedsmann Rainer Stobbe kommen viele Nachbarschaftsstreitigkeiten zu Ohren. Er erzählt, was er in seinem Ehrenamt erlebt.

Um es flapsig zu sagen: Während der Corona-Krise hocken sich viele Menschen mehr auf der Pelle, als sie es vor Ausbruch der Pandemie gewohnt waren – und als manchen lieb ist. Da liegen bisweilen auch in der Nachbarschaft die Nerven blank. Und wenn’s zum Streit kommt, ist Schiedsmann Rainer Stobbe in Gladbeck die erste Adresse, bevor ein Fall ein Gericht beschäftigt. Der Zweckeler erzählt, was er erlebt.

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Stobbe ist seit dem Jahr 2000 Schiedsmann, anfangs als Stellvertreter. Der 69-Jährige erklärt: „In Gladbeck werden Schiedspersonen nicht vorgeschlagen, sondern man bewirbt sich. Die Stadt schreibt eine Stelle öffentlich aus. Im Schnitt bewerben sich darauf vier bis sechs Interessierte.“ Dann stehe ein Bewerbungsgespräch vor einem Gremium an, dem Angehörige der Stadtverwaltung angehören. Die Gewählten haben eine Amtsperiode von fünf Jahren vor sich – Verlängerung möglich.

Den Schiedsmann aus Gladbeck beschäftigten 18 Fälle in einem Jahr

Wieso Stobbe sich für das Ehrenamt entschieden hat? Die Antwort kommt wie aus der Pistole geschossen. „Ich habe mich immer schon etwas ehrenamtlich engagiert. Ganz früh war ich bei der Freiwilligen Feuerwehr, als hier die Siedlergemeinschaft im Jahre 1994 gegründet wurde, war ich von Anfang an dabei“, erzählt der Zweckeler. Bis zu seinem Ruhestand, so Stobbe, sei er Verwaltungsangestellter bei der Knappschaft Bahn-See gewesen.

Er selbst würde sein Naturell als diplomatisch und geduldig charakterisieren. Eigenschaften, die wichtig für eine Schiedsperson seien. Und noch eine Fähigkeit hält der 69-Jährige für wichtig: „Man muss auf Menschen zugehen können.“ Denn diejenigen, die zu ihm kommen, sprechen meistens nicht (mehr) miteinander. Stobbe stellt fest: „Bei den Fällen höre ich immer wieder heraus, dass irgendwann, zehn, 15 Jahre zuvor, ‘mal etwas war. Der Nachbar hat zum Beispiel Bäume, deren Blätter in meinen Garten fallen.“ Darüber lodert der Ärger, bis die Lage irgendwann eskaliert.

Immer wieder ein Stein des Anstoßes unter Nachbarn in Gladbeck: Laub.
Immer wieder ein Stein des Anstoßes unter Nachbarn in Gladbeck: Laub. © dpa-tmn | Florian Schuh

Überhaupt: Bäume. Von wegen Freunde! Manchen Zeitgenossen sind sie ein Dorn im Auge. Schiedsmann Stobbe hat fast ausschließlich mit Nachbarschaftsstreitigkeiten zu tun: „Bei insgesamt 18 Fällen im Jahr 2021 hatte ich einen einzigen strafrechtlichen.“ Ansonsten sei es immer um Krach am Gartenzaun, im übertragenen Sinne und faktisch, gegangen. Das zurückliegende Jahr bezeichnet der Gladbecker als „Ausreißer nach oben“: „Ich glaube nicht, dass das wegen Corona so war.“ Durchschnittlich seien es in den Vorjahren zehn bis zwölf Fälle gewesen. Hauptsächlich ging es darum, dass sich Menschen Tür an Tür nicht grün seien. Der blätternde Baum, der windschiefe Zaun, der wuchernde Strauch – Steine des Anstoßes. Vor einiger Zeit habe ein Pool Ärger verursacht, manchmal kann auch Kinderlärm die Gemüter in Wallung versetzen.

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„Ich verstehe nicht, dass man darüber untereinander nicht reden kann“, meint Stobbe, der sich glücklich schätzt, in einer guten Nachbarschaft zu leben. Er bemüht sich, diese Wortlosigkeit zu durchbrechen. Das scheint schon einmal die halbe Miete zu sein. Stobbe erklärt das Prozedere: „Dem Gang vor Gericht ist vorgeschaltet, dass die streitenden Parteien zu einer Schiedsperson gehen. Früher kamen die Betreffenden persönlich, inzwischen bekomme ich ein Schreiben vom Anwalt. Ich schreibe Ladungen an Antragsteller und Gegner.“ Es müsse ein Kostenvorschuss von 50 Euro eingehen, bevor die Angelegenheit ins Rollen gerät.

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Stobbe sagt: „Als es mit Corona losging und es noch keine Impfungen gab, wurden die Verhandlungen ausgesetzt.“ Mittlerweile, ab Oktober 2021, könne er die gegnerischen Parteien wieder – sprichwörtlich – an einen Tisch bringen. Stobbe hat seinen Amtsraum im Seniorenbüro Zweckel an der Feldhauser Straße: „Ich habe von der Stadt grünes Licht erhalten, es gelten Corona-Regeln wie Abstände und Mund-Nasen-Schutz.“

Kontakt zu den Schiedsleuten

Gladbeck ist in drei Schiedsamtsbezirke gegliedert, die sich an den Stadtteilen orientieren. Rainer Stobbe ist der Ansprechpartner für den Bezirk I, der Zweckel/Rentfort und Schultendorf umfasst. Telefonischer Kontakt: 02043/56836.

Susanne Hadzimusic betreut den Bezirk II mit Gladbeck-Mitte/Ellinghorst. Die Schiedsfrau ist erreichbar unter 0162/3274603.

Rüdiger Stahlhut ist Schiedsmann für den Bezirk III, dem Butendorf und Brauck zugeordnet sind. Ein telefonischer Kontakt ist möglich über 02043/36402.

Beide Seiten haben Gelegenheit, ihre Position zu schildern. „Und schon kommt ein Gespräch zustande“, so Stobbe. Ziel der Schiedsleute: ein Vergleich. Dies gelinge zu etwa 60 Prozent. Stobbe betont: „Jeder Vergleich spart den Einsatz eines Richters.“ Und den Parteien viel Geld. Der 69-Jährige bemerkt: „Aber auch, wenn es zu keinem Vergleich gekommen ist, haben die Beteiligten oft ihr Verhalten verändert“ – und bestenfalls eine Lösung gefunden. Noch einmal das Baum-Beispiel: „Gibst Du mir die Erlaubnis, betrete ich Dein Grundstück und reche das Laub zusammen.“ Stobbe hofft, „dass mehr Leute Schiedspersonen einschalten, bevor ein Streit eskaliert“.

Bei Stobbes ist manchmal auch Ehefrau Rosita am Telefon erste Ansprechpartnerin. Oft genug hört sich die 66-Jährige Klagen an – von Bäumen, die Sonnenlicht nehmen, ausufernden Gebüschen und mehr, bevor Rainer Stobbe auf den Plan tritt.

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