Gladbeck. Die Frauenberatung in Gladbeck begrüßt die Einrichtung einer neuen Koordinierungsstelle. Gewalt gegen Frauen wird stärker in den Fokus gerückt.

Gewalt gegen Frauen und Mädchen ist ein Thema, das im Dunkelfeld eines privaten häuslichen Tatorts oft unerkannt bleibt. Auch die Frauenberatungsstelle in Gladbeck berichtet, dass Kontaktbeschränkungen und Lockdown in der Corona-Pandemie die Problematik verstärkt haben. Im Kreis Recklinghausen soll das Thema jetzt stärker auch in den öffentlichen Fokus gerückt werden: Als bislang landesweite Premiere wird eine kreisweite Projektstelle zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und Mädchen und häuslicher Gewalt geschaffen.

Dies hat der Kreistag einstimmig im Mai des Vorjahres beschlossen. „Eigentlich ist es schon längst höchste Zeit, dass etwas passiert“, sagt Nina Neuhaus von der Steuerungsgruppe, der alle vier autonomen Frauenberatungsstellen im Kreis Recklinghausen angehören (Gladbeck, Recklinghausen, Marl, Herten). Denn bereits am 1. Februar 2018 sei das „Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt“ in Kraft getreten. Diese völkerrechtlich verbindliche Übereinkunft, nach dem Tagungsort kurz „Istanbul-Konvention“ benannt, verpflichte alle Mitgliedstaaten gegen den Missstand vorzugehen.

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Das Projekt im Kreis hat landesweiten Modellcharakter

Blick in eine Veranstaltung der Frauenberatungsstelle Gladbeck im Frauenraum an der Wilhelmstraße.
Blick in eine Veranstaltung der Frauenberatungsstelle Gladbeck im Frauenraum an der Wilhelmstraße. © FBS | NN

Dass es dauert, bis Entscheidungen des Europarats in der Praxis ankommen, werde wieder offensichtlich. „Nach vier Jahren sind wir meines Wissens der erste Kreis in NRW, der eine solche Projektstelle nach der Istanbul-Konvention schafft, so dass wir damit auch einen Modellcharakter haben, der als Vorlage für andere Kreise und Kommunen dienen kann“, so Neuhaus, Sozialpsychologin der Frauenberatungsstelle in Marl. Dort, beim Verein Frauen helfen Frauen e.V., und bei der Frauenberatung Recklinghausen e.V. soll die Aufgabe aus der Istanbul-Konvention mit je einer halben Stelle angepackt werden. Mit dem Ziel, das bestehende Netzwerk der Beratungsmöglichkeiten und Hilfesysteme zunächst zu analysieren.

Ziele der Projektstelle gegen Gewalt an Frauen

Im Projektverlauf soll ein Netzwerk von Hilfsdiensten, Behörden, Einrichtungen und Organisationen, Ärzten und Psychologen kreisweit aufgebaut werden.Vordringliche Aufgabe des Netzwerkes ist es, Möglichkeiten zu suchen Gewalt aufzudecken und Mut zu machen, dieser zu entfliehen und Hilfe zu suchen.Zudem soll die Projektstelle Öffentlichkeitsarbeit betreiben und regelmäßige Kampagnen initiieren, die die Bewusstseinsbildung für alle Formen von Gewalt stärken.

„Um dann aufzuzeigen, woran es im Kreis Recklinghausen noch zur Unterstützung von Frauen und Mädchen fehlt“, so Susanne Dillner von der Frauenberatungsstelle Gladbeck. Nach Umzug an die Wilhelmstraße 46 (Ecke Grabenstraße) ist die zentrale Anlaufstelle für ratsuchende Frauen und Mädchen in Gladbeck, der Frauenraum, mit seinen großflächig bunt beklebten Fenstern noch sichtbarer geworden. Ein wichtiger Ort für die Stadtgesellschaft nicht nur, aber eben auch, wenn die Not groß ist. „Denn statistisch ist deutschlandweit, also auch in Gladbeck, jede dritte Frau Opfer von Gewalt“, berichtet Beraterin Sarah Sandi. Fast 500 Einzelgespräche werden mit hilfesuchenden Frauen pro Jahr in Gladbeck geführt. Die Pandemie fordere das Team besonders, da die Corona-Beschränkungen den Druck in Familien mit eh’ schon problematischer Situation erhöht habe.

In Gladbeck gibt es kein Frauenhaus, freie Plätze in der Nachbarschaft sind rar

„Unsere Aufgabe ist es dann, die Frauen zu stabilisieren, sie zu stärken und ihnen ihre Rechte und Möglichkeiten aufzuzeigen“, ergänzt Miriam Schmikowski. Um dabei deutlich zu machen, „dass es nicht normal ist, wie sie behandelt werden. Dass die Polizei gerufen werden kann, auch, um den gewalttätigen Partner aus der Wohnung zu verweisen“. Je nach Gefahreneinschätzung könne es auch notwendig werden, Schutz in einem Frauenhaus zu suchen. Diese Einrichtungen gibt es im Kreis als autonome Frauenhäuser in Recklinghausen, Dorsten und Castrop Rauxel, sowie die der Diakonie in Herten und Datteln. Zudem in den Gladbecker Nachbarstädten Gelsenkirchen, Bottrop und Essen. Freie Plätze sind rar, sie können über das Internet (frauen-info-netz.de) abgefragt werden.

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Das vorhandene Engagement des gesamten Hilfesystems im Kreis zu vernetzen und neue Impulse zu setzen, soll künftig über die Projektstelle geleistet werden. Nina Neuhaus: „Wir sind zuversichtlich, dass die dafür benötigte Ausschreibung jetzt zügig erfolgt und hoffen, dass es im Mai oder Juni dieses Jahres mit der Arbeit losgehen kann.“