Gladbeck. Gladbecks Bürgermeisterin Weist und Superintendent Riesenberg mahnen, die Nazi-Taten nicht zu vergessen. „Vergessen ist Teil der Vernichtung.“

Bürgermeisterin Bettina Weist hat dazu aufgefordert, in „Gegenwart und Zukunft wachsam zu sein“, um sich gegen Antisemitismus, Hass und Ausgrenzung zu stellen. „Wir brauchen Tage wie heute, um der Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft zu gedenken“, sagte das Stadtoberhaupt von Gladbeck vor knapp 100 Gästen bei der traditionellen Gedenkstunde am 9. November anlässlich der Pogromnacht 1938 an der Stele am Ehrenmal in Wittringen.

„Wir müssen wachsam sein, vor allem aber solidarisch und menschlich bleiben, und ganz klar zeigen: Wir lassen Euch nicht allein!“, sagte Weist mit Blick auf die jüdische Gemeinde, die im vergangenen Frühjahr Demonstrationen und Ausschreitungen vor der Synagoge in Gelsenkirchen aushalten musste.

Bürgermeisterin erinnert an die ersten Gastarbeiter vor 60 Jahren

Bürgermeisterin Bettina Weist erinnerte in ihrer Rede bei der Gedenkfeier zur Pogromnacht auch an die ersten Gastarbeiter vor 60 Jahren in Gladbeck.
Bürgermeisterin Bettina Weist erinnerte in ihrer Rede bei der Gedenkfeier zur Pogromnacht auch an die ersten Gastarbeiter vor 60 Jahren in Gladbeck. © FUNKE Foto Services | Michael Korte

Die Bürgermeisterin erinnerte auch daran, dass trotz Vertreibung und Vernichtung vieler Menschen vor 80 Jahren dennoch vor 60 Jahren mit den Gastarbeitern wieder Menschen „zu uns kamen“. Weist: „Sie fanden hier erst Arbeit, dann Heimat, gehören schon lange zu unserem Land und haben mit ihrer Lebensleistung zu unserem Wohlstand beigetragen.“ Weist forderte dazu auf, das Gemeinsame zu sehen, nicht das Trennende. „Wir sollten uns mit Respekt und Freundlichkeit, mit Neugier und einem offenen Herzen begegnen – das sind wir den Opfern von damals schuldig.“

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Der evangelische Superintendent Steffen Riesenberg mahnte angesichts eines größer werdenden Teils der Gesellschaft, der gleichgültig der eigenen, deutschen Geschichte gegenüber zu stehen scheine, sich zu erinnern: „Die Nazis haben den Krieg verloren. Und doch kann ihre Weltanschauung noch gewinnen, nämlich dann, wenn wir vergessen. Das Vergessen der Vernichtung ist ein Teil der Vernichtung selbst.“ Die Geschichte könnten wir nicht ändern, „aber aus ihr lernen für die Gegenwart und die Zukunft, deren Gestaltung wir zu verantworten haben.“

Superintendent geißelt die Informations-Qualität des Internets

Angesichts des neuen Kommunikationsraumes – des Internets – mit „unterirdischer Informationsqualität“ und einer Meinungsbildung, in der jeder, auch jeder Nazi, seinen Müll verbreiten könne, brauche es, so Riesenberg, Widerspruch, „damit Verschwörungstheorien und Geschichtsverdrehung niemals unwidersprochen stehenbleiben können“. Es brauche dazu aber nicht nur den Widerstand weniger, sondern das Engagement vieler, so der Superintendent. „Deshalb müssen viele Bescheid wissen und sprachfähig sein.“ Dazu seien historische und politische Bildung nötig, aber auch besondere Tage wie der 9. November – „zur kollektiven Erinnerung und Mahnung“.