Gladbeck. Reza Eqbalzadah muss in der Corona-Krise umsatteln: Statt Textilien verkauft er in Gladbeck Lebensmittel. Aber das sind nicht irgendwelche.
Reza Eqbalzadah musste schon einmal bei Null anfangen. Damals, im Jahr 2001, als der heute 55-Jährige aus Afghanistan nach Deutschland kam. Seinerzeit war die politische Lage der Beweggrund. Jetzt ist es die Corona-Krise, die den Händler in Gladbeck zu einem Neubeginn zwingt. Eqbalzadah sattelte um von Bekleidung auf Obst und Gemüse. Doch Momos Markt ist kein 08/15-Lebensmittelgeschäft.
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Dort auf der Hochstraße, wo bis vor kurzem noch Ständer mit Textilien und Accessoires aufgestellt waren, bieten nun Reza Eqbalzadah und seine Frau Sahra Reis und Nüsse, Frischwaren, Gewürze, Getränke, Tiefkühlkost und vieles mehr an. Wer den kleinen Laden in der Gladbecker Fußgängerzone betritt, kehrt ein in ein internationales Schlaraffenland. All jene, die asiatisch, indisch oder afrikanisch kochen möchten, finden in Momos Markt die notwendigen Zutaten. Klar, dass auch Spezialitäten aus der afghanischen Heimat in dem Geschäft parat liegen und in Regalen stehen. Beispielsweise Safran und Maulbeeren, „die sind ganz süß“, sagt Mohammed.
Gladbecker Fußgängerzone: In Momos Markt gibt es vieles zu entdecken
Der 15-Jährige ist der Sohn des Händlerehepaares. Aber Mohammed, so sagt er, nennen ihn nur wenige Menschen. „Momo“ werde er gerufen. Mit etwas Stolz in der Stimme weist der Junge darauf hin: „Das Geschäft ist nach mir benannt.“ In Oberhausen ist er geboren und aufgewachsen – „wie meine drei Schwestern“. Mehr oder minder durch Zufall fiel die Standort-Wahl für das Geschäft auf Gladbeck. „Damals haben wir im Umkreis geguckt, wo wir einen Laden aufmachen können“, berichtet Reza Eqbalzadah. Bottrop und Gelsenkirchen seien ebenfalls Optionen gewesen, aber Gladbeck schien am erfolgversprechendsten.
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Der Händler erzählt: „Zuerst habe ich Lederwaren verkauft, dann von 2014 bis April 2021 Textilien.“ Nachdem er wegen der Corona-Pandemie sieben Monate keinen Euro verdienen konnte, musste ein Plan B her. Der 55-Jährige: „Ich habe mich gefragt: Mache ich zu? Was mache ich?“ Momo weiß: „Wir haben Verwandtschaft in Belgien und Holland, die mit Lebensmitteln handelt. Sie hat meinen Vater inspiriert.“ Und offenbar regt das Warensortiment in den kleinen Markt auch die Kundschaft an. Von A wie Afghanistan bis T wie Thailand führt die kulinarische Reise.
Aloe Vera aus Brasilien, Taro – „Das ist eine Süßkartoffel!“ – und lange Bohnen, auch Drumsticks genannt, aus Costa Rica, indische Bittermelonen, Kochbananen aus Ghana, spanische Minze: Welche Gaumenfreuden lassen sich daraus kreieren? Über seine Vergangenheit und Familie in Afghanistan möchte Reza Eqbalzadah nicht sprechen, Fragen zu den in unseren Breiten ungewöhnlichen Lebensmitteln lösen seine Zunge. Man nehme beispielsweise Okra aus Jordanien mit Reis: „Das ist sehr lecker und gesund für Menschen mit Diabetes.“
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Weitere Zutaten für exotische Gerichte stehen in den Regalen oder liegen auf Tischen: grüne Rosinen, indisches schwarzes Salz, säckeweise Reis aus vielerlei internationalen Anbaugebieten, geröstete Kichererbsen aus dem Iran und manches, das entdeckt werden will. Unabi dürften wohl nicht viele Menschen in ihrer Küche vorrätig haben. Momo beschreibt: „Ähnlich wie Datteln.“
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Eine junger Mann betritt den Markt und steht unschlüssig vor der Auswahl von Oliven im Glas, die Eqbalzadah in Nachbarschaft zu eingelegtem Gemüse und Knoblauch platziert hat. Der 55-Jährige hilft dem Kunden bei der Entscheidung. „Ich mag das alles“, beteuert der Händler. Was er zu all den Produkten zu sagen hat, klingt auch verführerisch. Nur beim Blick in die Tiefkühltruhe, in der afrikanische Chilis – „sehr scharf!“ – sowie Teigtaschen und Fischbällchen liegen, könnte manchen vielleicht der Appetit vergehen.
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Hühnerfüße sind in China eine beliebte Delikatesse, hierzulande aber nicht nach jedermanns Geschmack.
Afghanische Reispfanne
Mohammed „Momo“ Eqbalzadah kennt eine typisch afghanische Speise, die sein Vater besonders gerne isst. Bei Kabuli Palau handelt es sich um ein Reisgericht.
„Das ist ein traditionelles Gericht“, sagt der 15-Jährige, die Zutaten sind Rosinen, Möhren und Rindfleisch.“ Als Gewürze werden Garam Masala und Koriander verwendet.
Da halten sich weniger Experimentierfreudige lieber an Honig, japanischen Tee – oder Zuckermandeln. „Wenn deutsche Kunden die einmal gegessen haben, kommen sie immer wieder“, hat der Geschäftsmann beobachtet. Er denkt zurück und sagt: „Viele haben sich gewundert, dass ich statt Textilien jetzt Obst und Gemüse verkaufe.“ Jetzt kann er feststellen: Besonders frische Waren „läuft viel“. Ebenfalls stark gefragt: asiatische Produkte. Doch Reza Eqbalzadah rechnet damit, dass der Familienbetrieb wohl „etwa ein Jahr brauchen wird, bis er sich etabliert hat“.