Gladbeck. In Gladbeck soll die Friedhofssatzung geändert werden, um mehr muslimische Bestattungen zu ermöglichen. Der Sargzwang soll künftig wegfallen.
In Gladbeck wird künftig die Bestattung eines Verstorbenen auch ausschließlich in ein Leinentuch gehüllt möglich ein. Dazu soll der Sargzwang, den die städtische Friedhofssatzung bei Beerdigungen auf den drei Friedhöfen vorsieht, gekippt werden. Die Stadtverwaltung Gladbeck plant nun im Auftrag des Rates, wo sich eine große Mehrheit für die Änderung aussprach, eine entsprechende Modifizierung der Regeln. So sollen mehr muslimische Bestattungen ermöglicht werden.
Angeregt wird die Neuerung von den drei Ratsfraktionen ABD (ABI, BIG, DKP), Linke und FDP. Die bestehenden Regelungen würden nicht mehr den gesellschaftlichen Realitäten in der Stadt entsprechen, hieß es. „Auch in Gladbeck lebende Muslime wollen hier beigesetzt werden“, gab ABD-Ratsherr Süleyman Kosar (ABI), der seit langem für die Abschaffung der Sargpflicht ist, zu Bedenken. „Sie haben oft ihr ganzes Leben lang hier gelebt und gearbeitet – doch nach dem Tod werden viele immer noch in ihr Herkunftsland überführt und dort bestattet, oder sie lassen sich in den Nachbarstädten beerdigen, in denen das Leinentuch schon erlaubt ist“, so Kosar.
Linke-Fraktionschef Jung: Bestattung ohne Sarg ist auch Ressourcen schonend
FDP-Ratsherr Michael Tack wies darauf hin, dass das Bestattungsgesetz NRW prinzipiell die Bestattung ohne Sarg erlaube, dies auch in anderen Ruhrgebietsstädten längst ermöglicht werde. Linke-Ratsherr Olaf Jung ergänzte: „Es sollte allen Bürgerinnen und Bürgern, sei es aus religiösen Gründen oder auch aus ökologischen Gründen erlaubt sein, sich für diese Ressourcen schonende Art der Bestattung zu entscheiden.“ Als Stadt müsse man mit der Zeit gehen, sollen Friedhöfe „attraktiv“ bleiben, so Jung, der gleichzeitig deutlich machte, dass die Beerdigung im Leinentuch keine Pflicht sei.
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Die Verwaltung sieht, so Ordnungsdezernentin Linda Wagner, „keine Bedenken“, die Bestattungsmöglichkeit im Leinentuch in die Satzung aufzunehmen und will die Änderung vorbereiten. Wagner: „Die Gesellschaft hat sich verändert, von daher können wir die Initiative nur begrüßen.“
Das Verhalten der CDU-Fraktion ist am Ende der Diskussion überraschend
Die SPD stimmte vorbehaltlos, so Fraktionschef Wolfgang Wedekind, dem Vorschlag zu und verwies auf den notwendigen Respekt anderen Traditionen und Kulturen gegenüber. Auch die Grünen sahen keinen Grund, eine andere Bestattungskultur nicht zu ermöglichen. Die CDU hatte ebenso inhaltlich nichts gegen den Vorschlag. Schließlich, so CDU-Ratsherr Jörg Baumeister, sei in NRW das Bestattungsrecht liberalisiert und erlaube auch eine Leinentuch-Bestattung. Überraschend war aber, dass sich bei der abschließenden Abstimmung dann doch alle CDU-Ratsmitglieder der Stimme enthielten.
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Gegen den ABD-Antrag gab es nur drei Stimmen – sie stammten von drei der vier anwesenden AfD-Ratsleute, einer enthielt sich. Fraktionschef Marco Gräber hatte argumentiert, eine Erlaubnis zur Leinentuch-Bestattung fördere Parallelkulturen. Außerdem gebe es keine Bestatter, die so beerdigten. „Diesen Zungenschlag“ kritisierte nicht nur die CDU, auch Linke-Ratsherr Jung sprach von einer „seltsamen Einstellung der AfD zum Grundgesetz.“ Die Grünen protestierten, eine andere Bestattungskultur habe nichts mit einer Parallelgesellschaft zu tun. Und CDU-Ratsherr Baumeister erinnerte die AfD-Fraktion daran, dass Bestatter auch Geschäftsleute seien und sicher schnell das neue Geschäftsfeld bedienen werden.
Sargpflicht erst seit dem 19. Jahrhundert
Eine sarglose Bestattung ist auch unter Christen und Juden eine alte Tradition. Die Sargpflicht wurde in Deutschland erst im 19. Jahrhundert eingeführt. Särge, so heißt es heute unter Befürwortern einer sarglosen Bestattung, würden oft die Beerdigungskosten in die Höhe treiben. Ohne Sarg würden Leichname auch schneller verwesen.
Der muslimische Beisetzungsritus kennt nur Erdbestattungen und sieht vor, dass Verstorbene ohne einen Sarg, also lediglich in ein Leinentuch gehüllt, das Kefen genannt wird, beigesetzt werden. Das Gesicht des Verstorbenen wird gen Mekka ausgerichtet, zur sogenannten Kaaba, dem „Haus Gottes“, blickend.
Bestattungen ohne Sarg sind bereits u.a. in Essen, Gelsenkirchen, Herten, Herne oder Oberhausen möglich.