Gladbeck. Süleyman Kosar,Vorsitzender der Türkischen Integrationsliste, schlägt einen städtischen Notdienst vor, um Bestattungen auch am Wochenende durchzuführen. Muslimischer Glaube fordert Beisetzung innerhalb von 24 Stunden.

Andere Länder, andere Sitten. Andere Religionen, andere Riten: Muslime müssen ihre Toten, sofern keine juristischen Gründe, etwa eine Obduktion, vorliegen, vor Sonnenuntergang am folgenden Tag bestatten. Das schreibt der islamische Glaube vor, und das stellt Angehörige manchmal vor Probleme: Am Wochenende oder an Feiertagen ist es unmöglich, innerhalb der kurzen Frist alle notwendigen Papiere für eine Überführung in die Heimat zu beschaffen.

Süleyman Kosar hat in jüngerer Zeit mehrfach von diesem Dilemma gehört. Der Vorsitzende der Türkischen Integrationsliste hat deshalb kürzlich im Integrationsrat die Einführung eines städtischen Wochenend-Notdienstes für solche Fälle beantragt. „Da geht es nicht um irgendeine Extrawurst für Muslime“, stellt er im Gespräch mit der WAZ sofort klar. „Die Beisetzung innerhalb von 24 Stunden hat im Islam eine große Bedeutung, weil der Tote nur im Grab seine Ruhe findet. Angehörige, die diese Frist nicht einhalten können, haben Schuldgefühle, weil sie dem Verstorbenen einen großen Wunsch nicht erfüllen können.“

Kosar vertritt die Auffassung, dass es genau solche konkreten Probleme sind, die im Integrationsrat thematisiert werden müssen: „Die erste Generation der Einwanderer ist jetzt in dem Alter, in dem genau dieses Thema wichtig wird. Es wird Zeit, sich darum zu kümmern, denn diese Menschen sind zwar schon lange hier in Deutschland heimisch, möchten aber in ihrer Heimat die letzte Ruhe finden.“ Anders sehe es bei den jüngeren Menschen aus: „In der zweiten und dritten Generation der Zugewanderten gibt es außer Urlaubsreisen häufig keinen Bezug mehr zur Heimat der Eltern oder Großeltern. Da wird auch eine Überführung im Todesfall kein Thema mehr sein“, glaubt Süleyman Kosar – und sieht schon das nächste wichtige Thema für den Integrationsrat: „Wir müssen über die Beisetzung von Muslimen vor Ort reden.“

Seit den 90er Jahren gibt es auf dem städtischen Friedhof in Brauck ein muslimisches Grabfeld. Nur wenige Gräber sind belegt. Kosar: „Das liegt auch daran, dass Muslime ihre Toten nicht in Särgen, sondern in Leinentüchern bestatten.“ In anderen Städten, zum Beispiel in Castrop-Rauxel und Hamm, sei das erlaubt, in Gladbeck bisher nicht. Dazu gehöre auch, die Bestattungszeiten neu zu regeln: „Muslime beerdigen ihre Toten nach dem Mittagsgebet, hier finden die Beisetzungen vormittags statt.“ Und schließlich dürfe es keine Ruhefristen geben: „Auf den städtischen und christlichen Friedhöfen werden die Gräber nach 25 oder 30 Jahren eingeebnet und wieder belegt. Nach dem islamischen Glauben darf das nicht sein. Jede Grabstätte muss jungfräulich sein, und der Tote ruht dort für immer.“

Süleyman Kosar ist zuversichtlich, bei Politik und Verwaltung mit diesen Themen offene Ohren zu finden: „Das sind Fragen, über die Kommunen selbst entscheiden können. Bisher hat nur niemand die Notwendigkeit gesehen, weil es einfach kein Thema war.“ Das soll will Kosar in Zukunft mit konkreten Vorstößen im Integrationsrat ändern: „Das gilt nicht nur für Muslime. Auch andere Zugewanderte haben Probleme, um die sich der Integrationsrat kümmern muss.“

Die Stadtverwaltung hat Süleyman Kosar mit seinem Vorstoß eher überrascht. „Bei uns ist die Notwendigkeit, einen Notdienst an Wochenenden und Feiertagen einzurichten, nicht zu erkennen“, sagt Pressesprecher Peter Breßer-Barnebeck. Im Standesamt habe man bestätigt, dass es nie Beschwerden oder Kritik gegeben habe, auch nicht von den auf muslimische Beerdigungen spezialisierten Bestattern. Die Moschee- und Kulturvereine in der Stadt sähen auch keinen Bedarf.

An der Sargpflicht will die Stadt auch nicht rütteln, obwohl sie die Möglichkeit hätte. Breßer-Barnebeck: „Grund dafür ist, dass in NRW Verstorbene frühestens nach zwei Tagen beigesetzt werden dürfen. Da erscheint uns ein Sarg geeigneter zu sein als ein Leinentuch.“ Im übrigen sei auch der Wunsch nach Bestattung im Leinentuch bisher nie geäußert worden.