Gladbeck. Freizeittreffs mussten wegen steigender Infektionszahlen schließen. Die Sozialarbeiter sind besorgt. Sie erreichen die betreuten Kids nicht mehr.

Die Coronaschutzverordnung schreibt derzeit auch vor, dass offene Freizeittreffs für Kinder und Jugendliche in der Stadt nicht für Spontanbesuche geöffnet werden dürfen. Das bereitet den Profis der Kinder- und Jugendarbeit in Gladbeck große Sorgen. Sie befürchten noch nicht absehbare Auswirkungen.

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Wie dramatisch sich die Situation verändert hat, erläuterte Iris Berger, Abteilungsleiterin Jugendförderung im Rathaus, dem Jugendhilfeausschuss. Durch den Corona-Lockdown seien für die Kinder und Jugendlichen soziale Strukturen in Schule oder Kindergarten und zu Gleichaltrigen weggefallen. Ebenso hätten wichtige Anlaufstellen im Nachmittagsbereich wie die Freizeittreffs ihr Angebot der offenen Tür schließen müssen. Hier hätten sich oft aus schwierigen Familienverhältnissen kommenden Kinder austoben können und zudem niederschwellige Unterstützung und Beratung erhalten. Da die Kinder sich so mehr in der privaten Wohnung aufhielten, bedeute dies auch, so die Fachfrau weiter, „dass die Kinder ihre Eltern aushalten müssen, mit deren zusätzlichen (Existenz-)Ängsten und Emotionen in Coronazeiten“, wodurch auch die Gefahr häuslicher Gewalt wachse.

Delikte wie Beleidigung oder Bedrohung haben zugenommen

Iris Berger von der Jugendförderung der Stadt Gladbeck sorgt sich und die Situation von Kindern und Jugendlichen ins sozialen Brennpunkten.
Iris Berger von der Jugendförderung der Stadt Gladbeck sorgt sich und die Situation von Kindern und Jugendlichen ins sozialen Brennpunkten. © FUNKE Foto Services | Oliver Mengedoht

Die Pandemie sei für viele junge Menschen eine verstörende Situation. Der Wegfall sozialer Strukturen könne zu Orientierungslosigkeit und Verhaltensauffälligkeiten führen. Verweigerungstendenzen zum Schulbesuch verfestigten sich. Über den Kontakt mit der Jugendgerichtshilfe sei festzustellen, so Iris Berger, „dass Delikte wie Beleidigung oder Bedrohung angestiegen sind“. Aufgrund fehlender Freizeitalternativen steige der Umfang des Medienkonsums (Fernsehen, Computerspiele), was zur Vereinsamung beitrage. Die Entstehung psychischer Störungsbilder werde begünstigt. Eingesetzte Vormünder berichteten nach Besuchen ihrer Mündel, dass die Coronasituation Erkrankungen wie Angst, Zwang oder Depression begünstigten, „so dass vermehrt Therapieplätze benötigt werden“.

Iris Berger stellte so fest, dass die offene Kinder- und Jugendarbeit systemrelevant sei „für Kinder und Jugendliche in schwierigen Lebenssituationen, die wir nicht verlieren wollen“. Es brauche die offene Kinder- und Jugendarbeit in all ihren Facetten, „um Orientierung und Halt in schwierigen Zeiten zu geben und so zur Aufrechthaltung einer stabileren Gesellschaft und des Stadtfriedens beizutragen“.

Sozialarbeiter sind jeden Tag im Stadtteil unterwegs

Sozialarbeiter Jochen Valtink bemüht sich darum, Kinder und Jugendliche in Brauck zu erreichen.
Sozialarbeiter Jochen Valtink bemüht sich darum, Kinder und Jugendliche in Brauck zu erreichen. © FUNKE Foto Services | Oliver Mengedoht

Die SPD-Ratsfraktion hatte zudem um konkretere Berichterstattung gebeten, wie die Jugendeinrichtungen jetzt überhaupt unter Corona-Bedingungen arbeiten. Jochen Valtink vom Freizeittreff Brauck gab so im Vortrag vor dem Ausschuss auch emotionale Einblicke zur aktuellen Situation. „Wir versuchen das zu machen, was wir momentan tun können und machen aufgrund der geschlossenen Einrichtungen Jugendarbeit to go“. Dies bedeute, „wir sind jeden Tag im Gladbecker Süden unterwegs“.

Dort würden bei bekannten Familien Bastelpakete oder Kochrezepte zur Beschäftigung in Briefkästen eingeworfen. Man bemühe sich zudem, mit Kindern, Jugendlichen und Eltern auf der Straße ins Gespräch zu kommen, auch darüber, „wie man dazu beitragen kann, das Infektionsgeschehen einzudämmen“. Die Streetworker hätten sich freilich auch auf die Datenautobahn begeben und ein Diensthandy angeschafft, „um über Social Media mit Kindern und Jugendlichen zu kommunizieren“. Über den beliebtesten Kanal Instagram stelle man täglich Bilder und Videogrüße ins Netz.

„Wir erreichen den Großteil der sonst betreuten Kinder momentan nicht“

Angemeldete Besuche eingeschränkt möglich

Laut der noch bis zum 28. März gültigen Corona-Schutzbestimmungen ist ein stark eingeschränkter Besuch der Freizeittreffs Brauck und Rentfort in Gladbeck möglich. In den Einrichtungen darf sich eine Gruppe von bis zu fünf Kindern oder Jugendlichen aufhalten, unter Einhaltung von Abstandsregeln und dem Tragen eines medizinischen Mund-Nasen-Schutzes.

Im Außenbereich ist die Betreuung von bis zu 20 Kindern möglich. Voraussetzung ist vorab immer eine Anmeldung, da die Besucher für den Fall einer Corona-Infektion und einer Kontaktnachverfolgung erfasst werden müssen. Diese Regelungen gelten auch für alle Einrichtungen freier Träger wie Maxus, Mädchenzentrum, OT Zweckel oder die Teestube Rosenhügel.

Auch Video-Chatangebote und -Treffs via Computerbildschirm habe man angestoßen, um dann aber festzustellen, dass diese nicht angenommen werden. Es sei insgesamt schwer, die Kinder ohne offene Freizeittreffs als niederschwellige Anlaufstelle zu erreichen. „Rund 120 Kinder haben sonst pro Tag unseren Freizeittreff besucht – und ich weiß nicht, wo die jetzt sind“, sagte Valtink mit hörbar emotional-belegter Stimme. „Sie sind nicht mehr bei uns, und wir erreichen den Großteil der Kinder auf anderen Wegen nicht.“ Man hoffe daher, so das Fazit des Sozialarbeiters, dass es möglichst schnell wieder möglich werde, „alle Angebote der offenen Kinder und Jugendarbeit in Gladbeck zumindest wieder in Teilen öffnen zu können“.