Recklinghausen/Gladbeck. Der Kreis Recklinghausen mit Gladbeck soll digital besser aufgestellt werden. Vorbild dafür ist auch das Projekt Innovation City Bottrop.

Eines Tages wird es zu den Selbstverständlichkeiten gehören, sein Auto über den heimischen PC beim Straßenverkehrsamt anzumelden. Oder dass Mülltonnen erst geleert werden, wenn Sensoren einen entsprechenden Füllstand anzeigen. Für Schüler wird digitaler Unterricht dann auch keine Herausforderung mehr sein, sondern eine bewährte Alternative. Das sind nur drei Beispiele für das, was man unter dem Begriff „Smart City“ versteht.

Es fehlt noch eine Strategie für den Kreis Recklinghausen

Der Kreis Recklinghausen soll eine „smarte“ Region werden. Es gibt bereits zahlreiche Aktivitäten und Initiativen auf diesem Handlungsfeld. „Aber es fehlt die Klammer, eine Kreis-Strategie“, sagt Dr. Frank Lelke. Der Hertener ist Mitglied der SPD-Kreistagsfraktion und hat gemeinsam mit seinem Fraktionskollegen, dem Gladbecker Michael Hübner, die Initiative ergriffen, den „Smart District“ Kreis Recklinghausen Wirklichkeit werden zu lassen. Das Thema ist mittlerweile im Kreistag und in der Kreisverwaltung angekommen.

Zudem konnte bereits ein kompetenter Mitstreiter und Berater gewonnen werden: Burkhard Drescher, Geschäftsführer der Innovation City Management GmbH (ICM), Bottrop. Ihm und seinem Team ist es in diesem Modellprojekt gelungen, innerhalb von zehn Jahren einen ganzen Stadtteil energetisch zu sanieren und die CO2-Emissionen zu halbieren. „Eine Stadt klimagerecht umzubauen, geht nicht ohne Digitalisierung“, sagt Drescher aus Erfahrung. Er berichtet von Mikro-KWK-Anlagen – kleinen Kraftwerken in den Kellern der Häuser –, die dezentral Strom und Wärme erzeugen und miteinander kommunizieren. Digital vernetzt sind auch Fotovoltaikanlagen. Das Ziel sei, die Energie dort zu nutzen, wo sie gerade benötigt werde, und ganze Wohnquartiere in der Versorgung autark zu machen.

Auch der Verkehr wird digital gesteuert

Auch der Verkehr wird digital gesteuert: Sensoren an Laternen messen Emissionen und Verkehrsdichte und lenken die Fahrzeuge über steuerbare Verkehrsschilder um. „Weiße Flecken“ sollen von der Karte verschwinden. Grundlage jeglicher Digitalisierung sind schnelle Datenautobahnen.

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Der Kreis Recklinghausen hat im Februar 2019 – mit Finanzierung von Bund und Land – damit begonnen, 11.000 Privathaushalte, 1300 Unternehmen und sämtliche Schulen ans Breitbandnetz anzuschließen. Mehr als 620 Kilometer Glasfasertrassen werden in Kooperation mit der Deutschen Telekom und Gelsen-Net gebaut. Davon waren Ende letzten Jahres 81 Prozent fertiggestellt. Es geht darum, „weiße Flecken“ im Hinblick auf die Versorgung mit schnellem Internet von der Landkarte zu tilgen. Das sei für Arbeitnehmer im Homeoffice ebenso wichtig wie für Unternehmen, sagt Michael Hübner, Vorsitzender des Kreis-Wirtschaftsausschusses.

Voraussetzungen, Ausbauoptionen, Kosten: Ein Masterplan muss her

Intelligente Projekte

Das bedeutet der Begriff „Smart City“: Durch den Einsatz von Informationstechnologie (zum Beispiel Sensoren) werden vermehrt Daten gewonnen und verarbeitet, um auf dieser Basis die Funktionen einer Stadt besser steuern zu können. Ein Beispiel für intelligente Projekte in einer „Smart City“ ist die Smartphone-App des lokalen Verkehrsunternehmens. Nutzer können nicht nur die schnellste Verbindung ausfindig machen, sondern auch gleich das Ticket buchen.

Ein anderes Beispiel sind smarte Parklösungen. Sensoren auf den Parkplätzen erkennen, wie diese genutzt werden. Über eine App erfährt der Autofahrer, welcher Parkplatz in der Nähe noch frei ist.

Ein Praxisbeirat soll den Digitalisierungsprozess im Kreis Recklinghausen begleiten. Ihm sollen Vertreter der Westfälischen Hochschule (WH), der Wirtschaft, der Kirchen, aber auch junge Leute angehören.

Unter Federführung des Kreises sollte nach Meinung von Lelke und Hübner ein Masterplan entwickelt werden, der technische Voraussetzungen, Ausbauoptionen und Kosten zusammenfasst, vor allem aber auch einen Katalog von Praxisanwendungen aufzeigt. Dabei geht es um nachhaltige Lösungen im Bereich von Klima/Energie, um digitale Angebote der Verwaltungen für den Bürger, aber insbesondere auch um die Schulen. „Hier könnte Gelsenkirchen eine Blaupause für den Kreis Recklinghausen sein“, meint Frank Lelke. In der Nachbarstadt werden Hard- und Software für alle Schulen einheitlich und zentral beschafft – inklusive der Schulungen. Gibt es Probleme, sind Fachleute einer zentralen Verwaltungsgruppe zur Stelle. Die Realität im Kreis Recklinghausen sieht hingegen so aus, dass jede Schule mehr schlecht als recht ihr eigenes Ding macht.

Auf dem Weg zur smarten Region wird die öffentliche Hand viel Geld investieren müssen. Darüber sind sich Experten einig. Aufgabe von Kreis und Kommunen sei es, die passenden Förderprogramme anzuzapfen, betont ICM-Geschäftsführer Burkhard Drescher. Sich nicht auf den Weg zu machen, ist aus seiner Sicht keine Alternative. „Regionen, die digital gut aufgestellt sind, haben klare Wettbewerbsvorteile“, sagt er.