Bottrop. Die energetische Sanierung von Häusern stockt. Warum Experte Burkhard Drescher einen der Gründe in der Bürokratie der KfW-Förderung sieht.

Kann das Ruhrgebiet Modellregion für den Klimaschutz werden und damit gestärkt aus der Corona-Krise hervorgehen? Burkhard Drescher hat da keinen Zweifel. Mit seinem Stadtentwicklungsprojekt Innovation City hat er in Bottrop bewiesen, wie durch Finanzanreize und Beratung der Hausbesitzer die energetische Sanierung von Wohngebäuden sehr viel schneller und effektiver gelingen kann als im Bundesdurchschnitt. Drescher nennt auch den Grund: „Die Förderung über die KfW-Bank funktioniert nicht.“

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Damit Deutschland seine Klimaziele bis 2050 erreicht, bietet die staatliche KfW-Förderbank ein Programm an, das Häuslebauer nutzen können, um ihr Dach energiesparend neu zu decken, die Fassade zu dämmen und die Heizungsanlage zu erneuern. Burkhard Drescher lässt an den Fördermöglichkeiten der KfW aber kein gutes Haar: „Der bürokratische Aufwand und die Hürden sind einfach viel zu hoch, und die Förderung deckt die Mehrkosten nicht“, kritisiert er. „Die KfW schreibt zum Beispiel den Einbau dreifachverglaster Fenster vor. Das ist aber oft gar nicht notwendig“.

Bottrop erreicht Klimaziele schneller als der Bund

Im Jahr 2014 hat die Stadt Bottrop deshalb mit der damaligen rot-grünen Landesregierung ein auf Bottrop beschränktes Förderprogramm aus Städtebaufördermitteln aufgelegt. „Das Experiment hat funktioniert“, zieht Drescher eine Zwischenbilanz. Seither seien aus diesen Mitteln 740 Wohngebäude im Projektgebiet energetisch ertüchtigt und damit 18 Prozent ihres CO2-Ausstoßes vermieden worden. Insgesamt liegt die energetische Modernisierungsrate im Pilotgebiet bei drei Prozent. Die Bundesregierung erreicht für die gesamte Republik nur eine Quote von einem Prozent. Mit der Folge, dass die CO2-Einsparziele im Land viel später erreicht werden als in Bottrop.

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Im Innovation-City-Pilotgebiet mit 70.000 Einwohnern wurden seit 2014 rund 2,1 Millionen Euro öffentliche Zuschüsse an Hausbesitzer ausgeschüttet, die eine Gesamtinvestition von 15,6 Millionen Euro ausgelöst hätten. „Wenn wir das Bottroper Modell auf ganz Deutschland anwenden würden, müsste der Bund für alle 19 Millionen Gebäude 22 Milliarden Euro aufbringen, um insgesamt 180 Milliarden Euro Gesamtinvestition in Wohnhäuser auszulösen. Das wäre ein gewaltiges Konjunkturprogramm“, rechnet Drescher vor.

Burkhard Drescher, Geschäftsführer von Innovation City.
Burkhard Drescher, Geschäftsführer von Innovation City. © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann

Damit unterstützt der Chef von Innovation City den Appell von Vonovia-Chef Rolf Buch, Wohnungswirtschaft-Präsident Mike Groschek und Wirtschaftsförderer Rasmus C. Beck. In dieser Zeitung hatten sie jüngst gefordert, das zur Bewältigung der Corona-Krise erwartete Konjunkturprogramm zu nutzen, um den Klimaschutz zu fördern und das Ruhrgebiet zu einer „modernen Klimametropole“ zu machen. Drescher hat eine feste Überzeugung: „Klimaschutz schafft Arbeitsplätze und mehr Lebensqualität.“

Die Krise, in die der Shutdown nach Ausbruch der Pandemie die Wirtschaft und die öffentlichen Haushalte getrieben hat, bereitet dem ehemaligen Oberhausener Oberbürgermeister aber auch in anderer Hinsicht Kopfzerbrechen. „Man muss die Sorge haben, dass der Klimaschutz jetzt ins Hintertreffen gerät. Fridays for Future ist momentan zwar von der Bildfläche verschwunden. Die Folgen des Klimawandels können aber heftiger ausfallen als die der Pandemie“, so Drescher.

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Die energetische Sanierung ist freilich auch ein hoch politisches Thema, weil Vermieter die Kosten zum Teil auf die Mieter umlegen und damit die Mieten weiter steigen. Aus diesem Grunde hat der Bochumer Dax-Konzern Vonovia auch nach Protesten von Mietervereinen entschieden, das Tempo zunächst einmal zu drosseln. Dabei produzieren Wohngebäude rund 37 Prozent der CO2-Emissionen in Deutschland und spielen beim Erreichen der Klimaziele eine zentrale Rolle. Durch die Anstrengungen von Innovation City entscheiden sich 81 Prozent der Häuslebauer in Bottrop für umweltschonende Heizenergien. Landesweit sind es nur 50,6 Prozent.

Beratung der Hauseigentümer spielt wichtige Rolle

Drescher wiederum zeigt sich optimistisch, dass er die Ziele von Innovation City erreichen wird. Ende des Jahres läuft das Projekt des Initiativkreis Ruhr aus. Bis dahin sollen im Pilotgebiet in Bottrop 50 Prozent weniger CO ausgestoßen werden als noch vor zehn Jahren. „Man muss die Leute an die Hand nehmen“, sagt der Geschäftsführer. Seit 2012 hat sein Team 3800 Beratungsgespräche durchgeführt und Hauseigentümer dabei begleitet, ihre eigenen vier Wände energetisch zu ertüchtigen. Inzwischen ist der Rat der Projektgesellschaft bundesweit gefragt – bis nach Hamburg, Berlin und Osnabrück. Klimagerechter Stadtumbau nach dem Vorbild Bottrops findet zudem in 17 Ruhrgebietsstädten statt.

Eine größere Aufgabe hat Drescher aber noch zu erledigen. Er will die NRW-Landesregierung davon überzeugen, das Bottroper Fördermodell fortzusetzen und auszuweiten. „Da gibt es in Düsseldorf noch einige Denkschleifen“, sagt er. Die Diskussion ist noch nicht beendet.