Gladbeck. Berufsschüler in Gladbeck stehen in Corona-Zeiten wegen ihrer praktischen Ausbildung vor Problemen. Das sind die Sorgen der Nachwuchskräfte.
Nein, dass mit den jungen Leuten aktuell ein so genannter Corona-Jahrgang heranwächst, das sieht Holger Pleines keineswegs so. Auch wenn der Leiter des BerufskollegsGladbeck die Probleme in Folge des Unterrichts auf Distanz durchaus kennt – wobei die Krise bei Berufsschülern noch etwas andere Auswirkungen hat als für diejenigen, die an anderen Schulformen lernen.
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„Bei uns funktioniert im Wesentlichen der Distanzunterricht wunderbar. Auch wenn ich sagen muss: Der beste Distanzunterricht ersetzt keinen Präsenzunterricht“, räumt Pleines ein. Erst recht nicht für Schüler im Dualen System, das eine betriebliche Komponente umfasst. Der Schulleiter erklärt: „Die Berufsschulklassen haben permanent unterschiedliche Prüfungen vor der Industrie- und Handelskammer sowie der Handwerkskammer.“
Gladbeck: Manchen Schülern steht lediglich ein Handy für den digitalen Unterricht zur Verfügung
Und mit dem Praxis-Anteil in der Ausbildung kann’s in Pandemie-Zeiten hapern. Holger Pleines nennt beispielhaft die Friseur-Branche: „Sie befindet sich seit langem im Lockdown.“ Da fehle es den angehenden Nachwuchskräften zwangsläufig an handwerklicher Erfahrung. Sich in einem Video anzuschauen, Griffe funktionieren, das ist eben nicht dasselbe wie selbst etwas auszuprobieren.
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„Die praktische Ausbildung soll in den Betrieben laufen“, unterstreicht Pleines, „das ist nicht unsere Hauptaufgabe.“ In einem „ganz geringem Maße“ werde an seiner Schule Praxis gelehrt. Er geht davon aus, dass es „viele Berufe gibt“, in denen wegen der Corona-Beschränkungen die Ausbildung beeinträchtigt ist. Im Unterricht an der Berufsschule werde allenfalls fachbezogene Theorie vermittelt. Beispiel: „Ein Elektroniker muss Schaltungen berechnen.“ Verständlich, dass sich manch’ Berufsschüler den Kopf zerbricht, ob er wohl seine Prüfungen bestehen kann und wird.
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Selbst wenn der digitale Unterricht laut Pleines rund läuft, macht auch dieser Part bisweilen Sorgen. Denn obwohl diese Schüler-Generation mit neuen Medien aufgewachsen ist: Wunschgemäß sieht mitunter anders aus. Der Schulleiter berichtet: „Nicht alle haben ein Endgerät. Manche Schüler müssen ein Handy nutzen, um sich einbringen zu können.“ Das Land stelle Schulen zwar Endgeräte, die Menge reiche jedoch nicht für alle. Bei der Verteilung der Geräte solle das Kriterium der Bedürftigkeit ausschlaggebend sein.
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Mit Sorgen und Nöten können sich die 1750 Schüler der Bildungsstätte an der Herderstraße an die drei zuständigen Sozialarbeiter wenden. Von „massiven“ Schwierigkeiten sei ihm allerdings nichts bekannt, sagt Holger Pleines.
Stichwort „Corona-Jahrgang“
Das Lernen in der Pandemie bereitet vielen Kindern und Jugendlichen – aber auch Lehrern und Eltern – Bauchschmerzen. Führt der Distanzunterricht zu Lerndefiziten? Spreizt sich die Schere zwischen denjenigen Schülern, die daheim technisch gut ausgestattet sind und Unterstützung erhalten, und jenen mit schlechteren Bedingungen? Wird letztgenannte Gruppe vielleicht abgehängt? Leidet die Lernqualität?
Fachleute verschiedener Professionen, also nicht nur Pädagogen, und direkt Betroffene diskutieren die Problematik immer wieder heftig. Und auch Lösungswege, besonders drastisch: das gesamte Schuljahr wiederholen.
Dazu sieht Holger Pleines, Leiter des Berufskollegs in Gladbeck, keine Veranlassung. Er meint: „Ich bin davon überzeugt, dass alle ihre Leistungen auch im Distanzunterricht erbringen. Ich will nicht sagen, dass der Stoff eins zu eins wie im Präsenzunterricht vermittelbar ist, aber das Wesentliche.“
Er weist auf das enorme Spektrum in der Schülerschaft hin: „Wir haben hier angehende Friseure ebenso wie angehende Banker.“ Was viele Menschen hierzulande überhaupt nicht wüssten: „Ungefähr die Hälfte aller Schüler in Deutschland besucht irgendwann einmal eine Berufsschule.“ Das Abitur ist dort ebenso möglich wie die Fachhochschulreife.
Jobmessen wurden in digitaler Form angeboten
Wer sich noch nicht für eine Profession entschieden hat, konnte sich vor Ausbruch der Pandemie auf Jobmessen informieren. Dort hatten junge Besucher die Chance, schon vor Ort Kontakte zu knüpfen, um beispielsweise einen Praktikumsplatz zu organisieren. Pleines: „Jobmessen in Präsenz sind in der Corona-Krise ausgefallen. Viele Anbieter haben versucht, die Veranstaltungen digital durchzuführen.“ Doch nicht alle Interessenten seien auch in der Lage, daran teilzunehmen, weiß der Schulleiter. Er sagt: „Wir versuchen, zu unterstützen.“