Gladbeck. Betreuung mit Abstand, ohne Kuscheln und Trösten? Das geht bei Kleinkindern nicht. Deshalb hoffen Tagesmütter aus Gladbeck vor allem auf eines.

Pädagogen und Erzieher gehören zu den Berufsgruppen, die sich besonders häufig mit dem Coronavirus infizieren. Das belegen Studien. Diesem Risiko sind ebenso Tagesmütter bei der Kinderbetreuung ausgesetzt. Kuscheln, Trösten, Nase putzen bei den ganz Kleinen – das funktioniert nicht mit Abstand und auch nicht mit Maske. Drei Tagesmütter aus Gladbeck berichten im Gespräch mit der WAZ, wie sie ihren Berufsalltag in der Pandemie erleben und welche Gedanken sie sich machen – auch über eine mögliche Ansteckung. Wobei eine Tagesmutter das Corona-Jahr ganz anders erlebt als ihre Kolleginnen.

Warum Corona schon im Konzept von Tagesmutter Ilkay Fimiani ein wichtiges Thema ist

Ilkay Fimiani hat die Qualifikation für die Kindertagespflege im Januar 2020 absolviert. Ihren Job als Tagesmutter nahm die 33-Jährige dann im August auf.

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Da war Corona schon in der Welt. Für Fimiani ist der Pandemie-Betrieb also Alltag. In dem Konzept, das alle Tagesmütter und -väter verpflichtend erstellen müssen, spielen Corona und die entsprechenden Hygienemaßnahmen eine große Rolle. Den Start in den Beruf bis nach der Pandemie zu verschieben, das ist für Ilkay Fimiani nicht eine Sekunde in Frage gekommen.

Auch der Umgang mit dem Spielzeug funktioniert in der Pandemie anders als üblich (Symbolfoto). Alle Sachen müssen regelmäßig gewaschen, oder abgeputzt und desinfiziert werden.
Auch der Umgang mit dem Spielzeug funktioniert in der Pandemie anders als üblich (Symbolfoto). Alle Sachen müssen regelmäßig gewaschen, oder abgeputzt und desinfiziert werden. © WAZ FotoPool | BAUER, Dirk

„Natürlich ist mir das erhöhte Ansteckungsrisiko durchaus bewusst, und das ist auch nichts, womit man leichtfertig umgeht“, betont die 33-Jährige. Aber den ganzen Tag darüber nachzugrübeln, den Alltag komplett der Angst unterzuordnen, das entspricht nicht dem Wesen der jungen Frau. Fünf Jungen und Mädchen im Alter von ein bis drei Jahren betreut sie. Der Appell der Landesregierung, die Kleinen in der Pandemie möglichst zuhause zu betreuen und nicht in die Kita oder Tagespflege zu geben, hat auch bei ihr dazu geführt, dass nicht immer alle Kinder da sind. Beim Thema Ansteckungsschutz setzt sie auf ein absolutes, gegenseitiges Vertrauensverhältnis mit „ihren“ Eltern.

Beim Bringen und Abholen der Kinder tragen die Erwachsenen einen Mundschutz, halten Abstand

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Beim Bringen und Abholen der Zwerge tragen die Erwachsenen einen Mundschutz und halten Abstand. Kränkelt ein Kind, behalten die Eltern es zuhause. In der Betreuung arbeitet Ikay Fimiani dann, wie die anderen Tagesmütter auch, ohne Maske. „Mit Maske“, sagt sie, „das geht gar nicht. Kinder müssen die Mimik sehen können!“ Stofftiere gibt’s aus hygienischen Gründen im Moment keine. Die Spielkisten samt Inhalt befinden sich abwechselnd immer entweder im Gebrauch, oder sie werden desinfiziert. Zudem achtet die 33-Jährige wie auch ihre Kolleginnen darauf, dass die Kinder persönliche Dinge wie beispielsweise ihre Handtücher nicht untereinander austauschen.

Alle Tagesmütter hoffen auf besseres Wetter im Frühjahr, wenn die Kleinen wieder draußen spielen können (Symbolbild).
Alle Tagesmütter hoffen auf besseres Wetter im Frühjahr, wenn die Kleinen wieder draußen spielen können (Symbolbild). © WAZ FotoPool | BAUER, Dirk

„Bis jetzt bin ich gut durch die Pandemie gekommen und habe für mich auch schon beschlossen, dass ich einige Standards, die die Hygiene betreffen, auch nach Corona beibehalten werde“, sagt Ilkay Fimiani. Zwei Dinge gibt es aber dennoch, die sie ärgern. Einmal ist es ihr schon selbst passiert, dass ein Kinderarzt sich geweigert hat, ihre kleine Tochter, die ebenfalls zu einer Tagesmutter geht, auf Corona zu testen. „Dabei war es mein ausdrücklicher Wunsch, und ich wollte den Test auch bezahlen.“ Als Folge hat sie dann ihre Tochter, um auf Nummer sicher zu gehen, nicht „zur Oma gebracht“. Ilkay Fimiani ist mit anderen Tagesmüttern in ganz NRW vernetzt, daher weiß sie, dass ihr das nicht allein schon so passiert ist.

Eine Impfung gegen Corona bringt mehr Sicherheit als mehrmaliges Testen

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Unverständlich findet sie ebenfalls, dass Erzieher und Lehrer in der Impf-Reihenfolge nicht vorgezogen werden. Eine Impfung, sagt sie, bringt auf jeden Fall mehr Sicherheit als die Möglichkeit, sich mehrmals im Monat testen zu lassen.

Das kann Gabriele Treder nur unterschreiben. Seit fünf Jahren ist die gelernte Erzieherin Tagesmutter. Und sie sagt: „Die Pandemie hat meinen Alltag schon komplett auf den Kopf gestellt!“ Drei Kinder – alle im Alter von Eins plus – hat die 42-Jährige aktuell in der Betreuung. Dadurch, dass nicht immer alle Kinder da sind, „kommt nie ein richtiges Gruppengefühl auf“. „Das ist aber besonders für die ganz Kleinen wichtig. Stattdessen ist im Moment jeder Tag eine Neueingewöhnung.“ Die Folge: Einer weint immer. „Schon allein der Lärmpegel zerrt an den Nerven“, gibt Gabriele Treder zu. Die Betreuung deshalb einzustellen, war aber nie eine Option. Zu sehr liebt sie ihren Job, will auch die Eltern ihrer Zwerge nicht im Stich lassen.

Und so hat Gabriele Treder ihren Tagesablauf minutiös neu strukturiert. Sie muss nämlich neben der Tagespflege, die in ihrem Haus in einem abgetrennten kleinen Bereich stattfindet, auch noch zwei eigene Kinder im Distanzunterricht und einen Ehemann mit Wechselschichten „managen“. Wegen Corona, sagt sie, mussten einige liebgewonnene Gewohnheiten leider über Board geworfen werden. So darf ihre Tochter derzeit nicht bei der Betreuung der Kleinen helfen. „Das hat sie immer so gern getan.“ Besonders vorsichtig ist Gabriele Treder zudem im Umgang mit ihrem Vater, der mit im Haus wohnt und mit 75 Jahren zur Risikogruppe gehört.

Eine Betreuung auf Abstand, das funktioniert bei Kleinkindern nicht

Keine Corona-Fälle

In Gladbeck gibt es 56 Tageseltern, überwiegend sind es Mütter, es gibt aber auch Tagesväter. Betreut werden vor allem Kinder im Alter von null bis drei Jahren.

Laut Familienbüro der Stadt Gladbeck sind 192 Plätze in der Kindertagespflege belegt. Anfang Februar wurden 83 davon auch in der Pandemie genutzt. „Das ist eine Belegung von über 43 Prozent“, so Ursula Kühnel vom Familienbüro. Bekannte Corona-Fälle gebe es nicht.

Alle drei Tagesmütter loben in ihren Berichten die gute Unterstützung und Beratung durch das Familienbüro, und das nicht nur in der Pandemiezeit.

Die eigenen Eltern mal in den Arm nehmen, ihnen einen Kuss geben. Das verkneift sich auch Silke Schellhase aus Sicherheitsgründen im Moment komplett. „Ich wohne mit meinen Eltern in einem Haus, wir haben täglich Kontakt, aber mit Abstand“, sagt die 50-Jährige, die seit 2008 als Tagesmutter arbeitet. Vier der sechs Jungen und Mädchen, um die sie sich kümmert, kommen im Moment zu ihr. Anderthalb bis zweieinhalb Jahre sind die Zwerge – kein Gedanke also an eine Betreuung mit Abstand.

„Ich bin ein durchweg positiver Mensch. Das heißt aber nicht, dass ich sorglos mit dem Thema Corona umgehe. Ganz im Gegenteil, ich halte mich an alle Regeln“, betont Silke Schellhase. Auf die Eltern „ihrer“ Kinder, sagt sie, kann sie sich in dieser Beziehung ebenfalls absolut verlassen. „Die sind alle sehr vorsichtig. Irgendwie ist das Leben in der Pandemie doch schon zur Routine geworden.“ Das ändert aber nichts daran, dass auch Silke Schellhase sich vor allem eines wünscht – die Rückkehr zu etwas mehr normalem Leben.

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