Gladbeck. John Earl Smith lebt seit 2006 in Gladbeck – der Liebe wegen. So blickt er auf die Brexit-Entwicklungen in seinem Heimatland Großbritannien.

„Nein“, sagt John Earl Smith, er habe „keine Hoffnung mehr“, dass es trotz der laufenden Verhandlungen in quasi letzter Minute „noch etwas mit einer Lösung und einem zumindest weichen Brexit wird“. Vor fast einem Jahr hatte die WAZ bereits zum drohenden Ausstieg Großbritanniens aus der Europäischen Union mit dem gebürtigen Engländer gesprochen, der da eine Einigung noch nicht ausschließen wollte. Der Geschäftsinhaber zog 2006 der Liebe wegen nach Gladbeck und Deutschland, er betreibt den Stickereiservice- und Textil-Druck-Betrieb „Logomeister“ an der Kirchhellener Straße.

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Er rechne mit einem harten Brexit, so der 65-jährige Brexit-Gegner, denn es sei „nicht zu erwarten, dass Boris Johnson das Rückgrat und die Größe hat, selbst einzulenken, Fehler einzugestehen und eine Entscheidung zu treffen, um den Brexit noch in geregelte Bahne zu lenken“. Der populistische Regierungschef habe sich durch seine markigen Worte, dass die EU Großbritannien nötig habe, aber Großbritannien die EU nicht, „selbst in eine Sackgasse gedrängt, aus der er jetzt ohne Gesichtsverlust nicht mehr herauskommt“. So trage er jetzt nichts Substanzielles zu den Verhandlungen bei, „und warte quasi darauf, dass die EU endgültig die Gespräche für gescheitert erklärt, so das er sagen kann, die EU ist schuld“.

Gut die Hälfte der Engländer glaubt den Worten von Boris Johnson

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Traurig sei auch, „dass es keine ausreichend starke politische Opposition im britischen Parlament gibt und nach wie vor gut die Hälfte der Engländer Johnsons Worten glauben, obwohl die Fakten ganz anders aussehen“. So könnte Großbritannien beispielsweise nur 60 Prozent seines Lebensmittelbedarfs selbst decken, müsste den Rest aus der EU importieren. Die EU würde in der Umkehr aber weniger als zehn Prozent Lebensmittel aus Großbritannien beziehen. Lächerlich sei es auch, wenn britische Medien in Sachen Brexit mit verkaufsträchtigen Schlagzeilen „gegen Deutschland und Kanzlerin Merkel schießen“. Als ob man nicht wüsste, wie Europa funktioniert „und alle Staaten Entscheidungen im EU-Parlament gemeinsam treffen und nicht nur Deutschland oder Frankreich allein“.

Frist bis zum 31. Dezember

Das Vereinigte Königreich ist nach 47 Jahren Mitgliedschaft am 1. Februar 2020 offiziell aus der Europäischen Union ausgetreten. Seitdem verhandeln beide Seiten über die zukünftigen Beziehungen. Bis zum Jahresende gilt noch die Übergangsphase, in der sich für Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen nichts ändert.

Sollten bis zum 31. Dezember keine Abkommen geschlossen werden, wird Großbritannien rechtlich als Nicht-EU-Staat behandelt. Dann gelten entsprechend strikte Grenzbestimmungen und Großbritannien kann nicht mehr vom gemeinsamen EU-Finanzmarkt, den Zoll- und Steuerfreiheiten sowie den Freizügigkeiten der EU-Bürger profitieren.

Fakt sei leider auch, dass Großbritannien mit einem harten Brexit absehbar „in große wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten wird“, meint Smith. Er weist dazu als Beispiel auf etliche asiatische Autohersteller wie Honda, Toyota oder Nissan hin, „die Werke in England errichtet heben, weil ihnen das den Zutritt in den europäischen Markt vereinfacht hat“. Diese weiter fortzuführen, verliere mit dem Brexit seine Notwendigkeit, „so dass zu erwarten ist, dass Verlagerungen auf den Kontinent erfolgen“.

Familie und Freunde in England bewerten den harten Austritt als Fehler

Den Brexit würden auch seine Familie, Mutter und Schwester, sowie alle seine englischen Freunde im Großraum London als Fehler bewerten. „Sie sind der Ansicht, dass die Brexetiers die Zukunft ihrer Kinder ruiniert haben“. Denn die hätten dann nicht mehr dieselbe Freizügigkeit wie bisher, um im Ausland zu studieren oder in der EU zu arbeiten, so der Immigrant, der am 8. Oktober 2018 in Deutschland nach erfolgreichem Test eingebürgert wurde. Für ihn ein wichtiger Meilenstein, um seiner Freundin Heidi endlich den Heiratsantrag zu machen, so dass im Sommer die Hochzeitsglocken läuteten. Denn er habe nicht gewollt, dass jemand die Hochzeit als Zweck sehen könnte, „damit ich so den deutschen Pass erhalte“.

Wenn es momentan auch nach hartem Brexit aussehe, sagt der erklärte Europäer Smith abschließend, so habe er die Hoffnung, „dass Großbritannien in fünf Jahren den Brexit zurückdreht, weil dann die Ära Johnson vorbei ist und wieder eingesehen wird, was das Land an der EU hat“. Für ihn sei das aber nicht mehr so wichtig. „Ich bin froh, dass ich nicht mehr in England meine Lebensmittelpunkt habe. Deutschland ist ein schönes Land und ich bin froh, hier zu leben und zu arbeiten.“