Gladbeck. Die Verschuldungsquote ist im Stadtsüden von Gladbeck nicht mehr am höchsten. Die Schuldnerberatung erwartet künftig mehr Insolvenzanträge.

Die Überschuldung von Menschen in Gladbeck steigt weiter leicht an – erstmals liegt aber nicht der Stadtsüden ganz hinten. Dort sind die Zahlen sogar leicht rückläufig. Das geht aus dem Schuldneratlas 2020 der Wirtschaftsauskunftei Creditreform hervor, der am Donnerstag veröffentlicht worden ist.

In der Erhebung werden die Daten getrennt nach Postleitzahlen ermittelt. Demnach sieht es im Gladbecker Nord-Westen etwas besser aus als im übrigen Stadtgebiet. In den Stadtteilen Alt-Rentfort, Rentfort-Nord, Schultendorf und Zweckel (PLZ 45966) sind 11,28 Prozent der Einwohner verschuldet. Im Vergleich zum Vorjahr ist die Quote jedoch gestiegen: um 0,52 Prozent von 10,77.

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Am höchsten ist die Überschuldungsquote, bei der die Zahl der Schuldner in Relation zur Einwohnerzahl gesetzt wird, mit 14,89 in Ellinghorst , Stadtmitte und Mitte-Ost (PLZ 45964). Die drei Stadtteile lösen somit Butendorf, Brauck und Rosenhügel (PLZ 45968) ab: Die Überschuldungsquote im Stadtsüden sinkt im Vergleich zu 2019 (15,22) auf 14,81.

69.699 Menschen im Kreis sind verschuldet

Im Kreis Recklinghausen liegt die Verschuldungsquote bei 13,51 Prozent. 69.699 Menschen gelten dort als verschuldet. Im Ruhrgebiet ist die Schuldnerquote in Herne mit 18,21 Prozent am höchsten, dicht gefolgt von Gelsenkirchen und Duisburg mit 18,05 und 17,53 Prozent.

In den meisten Ruhrgebietskommunen ist die Schuldnerquote, wenn auch oft nur gering, in diesem Jahr gesunken.

211 Menschen suchten in diesem Jahr bereits Hilfe bei der Schuldnerberatung

Hilfe bei der städtischen Schuldner- und Insolvenzberatung haben in diesem Jahr bereits 211 Menschen gesucht. „Wir sind immer voll ausgelastet“, sagt Schuldnerberaterin Beate Mayrhofer. Es gibt eine lange Warteliste. Aber das ist längst nicht alles: Mayrhofer geht von einer hohen Dunkelziffer aus. „Viele sind überschuldet, die gar nicht bei uns auflaufen.“

Beate Mayrhofer geht davon aus, dass die Zahl der Insolvenzanträge im kommenden Jahr steigen wird.
Beate Mayrhofer geht davon aus, dass die Zahl der Insolvenzanträge im kommenden Jahr steigen wird. © FUNKE Foto Services | Lutz von Staegmann

Aufgrund einer Änderung im Insolvenzrecht mit einer verkürzten Verfahrensdauer von sechs auf drei Jahre, geht Mayrhofer davon aus, dass die Zahl der privaten Insolvenzanträge im kommenden Jahr mit Inkrafttreten der neuen Regelung steigen wird. „Einige warten nun extra damit, ihre Insolvenzanträge zu stellen“, weiß sie.

Immer mehr Zulauf von Rentnern

Ein zunehmendes Problem ist die Altersarmut . Rund elf Prozent aller Ratsuchenden in diesem Jahr sind über 60 Jahre. „Wir haben immer mehr Zulauf von Menschen in dieser Altersgruppe, die ihre Rechnungen nicht bezahlen können. Die Renten reichen nicht aus, alles wird teurer“, beobachtet die Schuldnerberaterin. Während jüngere Menschen etwa bei steigenden Mieten eine Stelle mit besserer Bezahlung suchen oder einen zusätzlichen Nebenjob annehmen könnten, sei das bei Älteren nicht möglich. „Zudem gibt es eine große Hemmschwelle und Scham, Leistungen zu beantragen.“ In ihrem Alltag erlebt Mayrhofer teils dramatische Szenen. „Es gibt auch Extremfälle, die sagen, sie möchten aufgrund ihrer Armut nicht mehr leben.“ 18 Altersrentner betreute Mayrhofer bisher in diesem Jahr – die Anfragen im Vergleich zu den Vorjahren steigen. „Und es gibt einige, die warten noch auf einen Termin.“ Manche Anfragen kann die Mitarbeiterin der städtischen Schuldnerberatung aber auch direkt am Telefon klären. „Manchmal reicht es schon, an unsere Wohngeldstelle zu verweisen.“

Aber auch die Zahl der Berufstätigen, die die Hilfe der Schuldnerberatung suchen, nimmt zu. Aufgrund der Corona-Pandemie seien 25 bis 30 Prozent der ratsuchenden Berufstätigen in Kurzarbeit. „Vor allem aus dem Bereich der Gastronomie oder auch Menschen, die etwa im Movie Mark beschäftigt waren, der jetzt geschlossen ist.“